19 Minuten
glaubte.
Josie zog ihre Hand zurück und sagte: »Hör auf, mit deiner Richterinnenstimme zu reden.«
»Meiner was?«
»Deine Richterinnenstimme. Mit der redest du, wenn du telefonierst. Oder in der Öffentlichkeit. Wie jetzt.«
Ihre Mutter runzelte die Stirn. »Blödsinn. Ich rede mit derselben Stimme wie -«
Der Kellner kam herübergeglitten, wie auf Schlittschuhen. »Verzeihen Sie die Störung ... aber ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Euer Ehren?«
Ohne mit der Wimper zu zucken wandte sie dem Mann das Gesicht zu. »Absolut«, sagte sie und lächelte, bis er sich abgewandt hatte. Dann sagte sie zu Josie: »Mit dieser Stimme rede ich immer.«
Josie blickte sie an und sah dann dem Kellner nach. »Vielleicht hast du ja recht«, sagte sie.
In Peters Mannschaft war noch ein anderer Junge, der mit Fußball nichts anfangen konnte. Er hieß Derek Markowitz, und sie waren ins Gespräch gekommen, als sie bei einem Spiel gegen North Haverhill einmal nebeneinander auf der Ersatzbank saßen. »Wer hat dich denn gezwungen?«, hatte Derek gefragt, und Peter hatte erwidert, seine Mutter. »Genau wie bei mir«, gestand Derek. »Sie ist Ernährungsberaterin und total fitnessverrückt.«
Beim Abendessen erzählte Peter seinen Eltern immer, wie viel Spaß ihm das Training gemacht habe. Er gab mit irgendwelchen fußballerischen Kunststückchen an, die er bei anderen beobachtet hatte und zu denen er nie imstande wäre. Nur um zu erleben, wie seine Mutter Joey anschaute und Sachen sagte wie: »Sieht so aus, als hätten wir mehr als ein Sportass in der Familie.« Wenn sie mal bei einem Spiel zuschauten und Peter nur die Ersatzbank drückte, sagte er, der Coach habe anderen eben auch mal eine Chance geben wollen.
Derek war genauso eine Niete im Fußball wie Peter. Er hatte helle Haut, unter der die Adern durchschimmerten wie eine Straßenkarte, und sein Haar war so blass, dass man schon genau hinschauen musste, um seine Augenbrauen zu entdecken. Peter mochte ihn, weil er zum Training immer einen Riegel Snickers mitbrachte, den sie sich heimlich teilten, wenn der Coach nicht guckte, und bei Spielen saßen sie nun immer nebeneinander auf der Reservebank.
So auch am Freitagnachmittag beim Heimspiel gegen Riven-dell, eine Mannschaft, die eigentlich kein ernst zu nehmender Gegner war, weshalb der Endstand auch entsprechend demütigend für die Gäste ausfiel.
»Toll gemacht«, gratulierte der Coach anschließend jedem Spieler mit Handschlag. »Wirklich super.«
»Kommst du?«, fragte Derek und stand auf.
»Geh ruhig schon mal vor«, sagte Peter, und als er sich bückte, um seine Fußballschuhe neu zu binden, sah er das Paar Damenschuhe, das vor ihm stehenblieb, Schuhe, die er kannte, weil er in der Diele immer über sie stolperte.
»Hi, Schätzchen«, sagte seine Mutter und lächelte zu ihm runter.
Peter schluckte. Keiner, natürlich keiner in seiner Mannschaft ließ sich von seiner Mommy auf dem Platz abholen wie ein Kindergartenkind.
»Einen Moment noch, Peter«, sagte seine Mutter.
Er blickte auf und sah, dass seine Mannschaftskameraden nicht wie sonst gleich in die Kabine gegangen waren, sondern noch dastanden, um sich genüsslich die neuste Erniedrigung anzuschauen. Als er schon dachte, es könnte schlimmer nicht kommen, marschierte seine Mutter auf den Coach zu. »Coach Yarbrowski«, sagte sie. »Kann ich Sie mal kurz sprechen?«
Ich will tot sein , dachte Peter.
»Ich bin Peters Mutter. Und ich frage mich, wieso Sie meinen Sohn nicht spielen lassen.«
»Aus taktischen Gründen, Mrs. Houghton. Wenn Peter so weit ist -«
»Die Saison ist schon halb vorbei, und mein Sohn sitzt immer nur auf der Ersatzbank.«
»Mom«, unterbrach Peter sie und hatte nur den einen Wunsch, der Boden würde sich unter ihren Füßen auftun und sie mitten im Satz verschlingen. »Lass doch.«
»Schon gut, Peter. Ich regle das.«
Der Coach kniff sich in den Nasenrücken. »Na schön, Mrs. Houghton. Ich setze Peter beim Spiel am Montag ein, aber er bräuchte eigentlich noch etliche Trainingseinheiten.«
»Er soll auch keinen Schönheitspreis gewinnen, er soll Spaß haben.« Sie drehte sich um und lächelte Peter arglos an.
Peter konnte sie kaum hören, so laut dröhnten ihm vor Scham die Ohren. Nur das höhnische Gekicher seiner Mannschaftskameraden brach sich Bahn. Seine Mutter setzte sich neben ihn. Er hatte nie begriffen, wie man jemanden gleichzeitig lieben und hassen konnte, aber jetzt schwante es ihm. »Wenn du erst mal richtig
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