19 Minuten
eines Nachmittags im Lager an. Wieso behandelst du mich so?, wollte er wissen.
Weil ich nett zu dir war und du dir eingebildet hast, wir wären Freunde.
Aber wir sind doch Freunde, erwiderte er.
Josie hatte ihn angesehen. Das hast du nicht zu entscheiden, sagte sie.
Wenige Tage später wollte Josie eine Ladung Abfall in den Müllcontainer werfen. Dort stand Peter und beugte sich gerade über den Rand des Containers. »Weg da«, sagte Josie und warf die Müllbeutel hinein.
Als sie auf dem Boden aufschlugen, sprühten Funken, einen Augenblick später loderten bereits Flammen an den leeren Pappkartons hoch, die im Container lagen, und züngelten die Metallwände hinauf. »Peter, komm da weg«, schrie Josie. Peter rührte sich nicht. Die Flammen tanzten dicht vor seinem Gesicht, und die Hitze verzerrte seine Züge. »Peter, runter da!« Sie packte seinen Arm und riss ihn zu Boden, und im selben Moment explodierte irgendwas - Toner? Ol? - im Container.
»Wir müssen die Feuerwehr rufen«, rief Josie, die sich hastig wieder aufrappelte.
Kurz darauf war die Feuerwehr da und sprühte irgendeine stinkende Chemikalie in den Container. Josie rief Mr. Cargrew an. »Gott sei Dank, dass euch nichts passiert ist«, sagte er, als er zwanzig Minuten später eintraf.
»Josie hat mich gerettet«, antwortete Peter.
Während Mr. Cargrew mit den Feuerwehrmännern sprach, ging Josie zurück in den Copyshop, und Peter folgte ihr. »Ich hab gewusst, dass du mich retten würdest«, sagte Peter. »Deshalb hab ich's gemacht.«
»Was gemacht?« Aber Peter musste die Frage nicht beantworten, weil Josie auch so wusste, warum Peter am Container gewesen war, wo er doch zu tun gehabt hätte. Sie wusste, wer das brennende Streichholz hineingeworfen hatte, sobald er sie mit den Müllbeuteln aus der Hintertür kommen sah.
Noch während sie Mr. Cargrew beiseite nahm, redete Josie sich ein, als verantwortungsvolle Mitarbeiterin keine andere Wahl zu haben: Ihr Boss musste erfahren, wer versucht hatte, sein Eigentum zu zerstören. Sie wollte sich nicht eingestehen, dass ihr das, was Peter gesagt hatte, Angst machte, weil es wahr war. Und sie tat so, als spürte sie das leise Lodern in ihrer Brust nicht, das sie zum ersten Mal in ihrem Leben als Rache erkannte.
Als Mr. Cargrew Peter hinausschmiss, hörte Josie nicht hin. Sie spürte seinen Blick, als er ging - heiß, anklagend -, doch sie starrte weiter auf den Kopierer, aus dem eine Seite nach der nächsten herausglitt.
Nach der Schule wartete Josie am Fahnenmast auf Matt. Er würde sich von hinten anschleichen, und sie würde so tun, als merkte sie nichts, bis er sie dann vor allen Leuten küsste. Josie liebte das. Ihr Status war eine Art Schutzmantel: Wenn sie jetzt Einsen schrieb oder zugab, dass sie gerne las, hielt man sie nicht mehr für bescheuert. Denn jetzt zählte in erster Linie ihre Beliebtheit.
Manchmal hatte sie Albträume, in denen Matt erkannte, dass sie eine Hochstaplerin war, dass sie eigentlich nicht gut aussah, nicht cool war und seine Bewunderung gar nicht verdient hatte. Dann stellte sie sich vor, wie ihre Freunde sagten: Was haben wir uns bloß dabei gedacht?, und wahrscheinlich fiel es ihr deshalb auch so schwer, sie wirklich als Freunde zu betrachten, wenn sie wach war.
Sie und Matt hatten für dieses Wochenende etwas geplant, etwas Wichtiges, das sie kaum für sich behalten konnte. Während sie wartend auf den Steinstufen saß, die zum Fahnenmast hinaufführten, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. »Du kommst spät«, sagte sie und drehte sich lächelnd um. Aber es war Peter, der vor ihr stand.
Er sah verstört aus. In den Monaten seit Josie dafür gesorgt hatte, dass Peter seinen Job verlor, war sie ihm erfolgreich aus dem Weg gegangen.
»Josie«, sagte er, »kann ich dich kurz sprechen?«
Schülcr strömten aus der Schule, und sie spürte ihre Blicke wie Peitschenhiebe. Starrten sie herüber, weil sie mit Peter sprach?
»Nein«, sagte sie tonlos.
»Aber ... ich brauch unbedingt meinen Job zurück. Ich weiß, ich hab einen Fehler gemacht. Ich dachte, wenn du vielleicht mit Mr. Cargrew reden würdest... Er mag dich nämlich.«
Josie wollte erwidern, er solle gehen. Dass sie nicht wieder mit ihm arbeiten und schon gar nicht im Gespräch mit ihm gesehen werden wollte. Aber in den Monaten seit Peters Raus-schmiss war etwas geschehen. Die Rache, die ihr im ersten Moment gutgetan hatte, brannte ihr jedes Mal in der Brust, wenn sie an die Geschichte dachte. Und
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