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19 Minuten

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Titel: 19 Minuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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unbedingt sein wollte. Wieso sollten ihre Freunde sie je wieder als eine der ihren betrachten?
    »Hallo.«
    Als sie Matts Stimme hörte, sog Josie scharf die Luft ein. »Nur damit du's weißt, ich bin nicht mit ihm befreundet.«
    »Weißt du was? Im Grunde sieht er dich richtig.«
    Josie blinzelte ihn an. Sie hatte Matts Grausamkeit schon mit eigenen Augen erlebt - wie er Austauschschüler, die sprachlich nicht in der Lage gewesen wären, ihn beim Aufsichtslehrer zu melden, mit Gummibändern beschoss; wie er ein übergewichtiges Mädchen als wandelndes Erdbeben bezeichnete; wie er das Mathebuch eines schüchternen Jungen versteckte und dann genüsslich zusah, wie der Panik kriegte, weil er dachte, er hätte es verloren. Das alles war lustig gewesen, weil nicht Josie die Zielscheibe war. Aber von ihm gedemütigt zu werden fühlte sich an wie eine Ohrfeige. Sie hatte geglaubt, die Zugehörigkeit zur richtigen Clique würde ihr Immunität verschaffen, aber jetzt erwies sich das als Irrtum. Sie machten einen trotzdem fertig, Hauptsache, sie wirkten dadurch witziger, cooler, einfach anders als du.
    Das Grinsen auf Matts Gesicht, als hätte er sie schon die ganze Zeit für eine Witzfigur gehalten, tat doppelt weh, weil sie geglaubt hatte, er wäre ihr Freund, und sich manchmal sogar mehr gewünscht hatte. Wenn ihm eine Haarsträhne in die Augen fiel und sein Lächeln langsam aufleuchtete wie eine Kerze, verschlug es ihr jedes Mal die Sprache. Aber diese Wirkung hatte Matt auf alle - sogar auf Courtney, die in der sechsten Klasse zwei Wochen mit ihm gegangen war.
    »Hätte nie gedacht, dass der Schwuli mal was Sinnvolles von sich gibt, aber er hat recht, Brücken bringen dich von einem Ort zum anderen«, sagte Matt. »Und genau das machst du mit mir.« Er nahm Josies Hand und drückte sie sich an die Brust.
    Sie spürte sein pochendes Herz, als wäre Verheißung etwas, das man in die Hand nehmen konnte. Sie sah ihn an und hielt die Augen weit geöffnet, als er sich vorbeugte, um sie zu küssen. Sie wollte keinen einzigen verblüffenden Augenblick verpassen. Josie schmeckte seine Hitze wie ein Zimtbonbon, das auf der Zunge brennt.
    Schließlich fiel Josie wieder ein, dass sie atmen musste, und sie
    riss sich von ihm los. Noch nie hatte sie jeden Zentimeter ihrer Haut so deutlich gespürt.
    »Mannomann«, sagte Matt und wich zurück.
    Panik erfasste sie. Vielleicht war ihm eben wieder eingefallen, dass er ein Mädchen geküsst hatte, das noch vor fünf Minuten eine Ausgestoßene gewesen war. Oder sie hatte ihn falsch geküsst.
    »Ich kann das wohl nicht besonders«, stammelte Josie.
    Matt hob die Augenbrauen. »Wenn du noch besser wirst... überleb ich dich nicht.«
    Josie spürte in ihrem Inneren ein Lächeln erblühen, wie eine riesige rote Blüte. »Ehrlich?«
    Er nickte.
    »Das war mein erster Kuss«, gestand sie.
    Als Matt mit dem Daumen über ihre Unterlippe strich, spürte Josie das überall - von den Fingerspitzen über den Hals und bis zu der warmen Stelle zwischen ihren Beinen. »Eins steht fest«, sagte Matt, »es war nicht dein letzter.«
    Alex machte sich im Bad fertig, als Josie hereinkam. »Was ist das denn?«, fragte sie plötzlich und musterte das Gesicht ihrer Mutter im Spiegel.
    »Mascara.«
    »Okay, ich weiß, was es ist«, sagte Josie, »aber was hat es auf deinem Gesicht verloren?«
    »Vielleicht hab ich einfach Lust auf ein bisschen Make-up.«
    Josie sank grinsend auf den Badewannenrand. »Und vielleicht bin ich die Königin von England. Was liegt an ... ein neues Foto für irgendein Juristenblatt?« Plötzlich schossen ihre Augenbrauen in die Höhe. »Du hast doch nicht etwa so was wie ein Date, oder?«
    »Nicht >so was wie<«, sagte Alex und legte Rouge auf. »Es ist ein richtiges Date.«
    »Ach du Schande. Wer ist er?«
    »Ich kenn ihn nicht. Liz hat es arrangiert.«
    »Aber irgendwas muss sie dir doch über den Mann erzählt
    haben. Besser wär's jedenfalls. Dein letztes Date hattest du mit dem Typen, der nichts Grünes essen wollte.«
    »Das war nicht das Problem«, sagte Alex. »Aber er wollte auch nicht, dass ich irgendwas Grünes esse.«
    Josie stand auf und griff nach einem Lippenstift. »Die Farbe wird dir stehen«, sagte sie.
    Alex sah in die Augen ihrer Tochter und entdeckte darin ein winziges Spiegelbild ihrer selbst. Sie fragte sich plötzlich, warum sie so etwas nie mit Josie gemacht hatte: mit Lidschatten herumexperimentieren, ihr die Zehennägel lackieren, Frisuren ausprobieren. Andere

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