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190 - Der Finder

190 - Der Finder

Titel: 190 - Der Finder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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geworden.
    »Früher, als ich noch das Vergnügen hatte, in meiner eigenen Zeit zu leben, war die Traumzeit bei den Anangu so eine Art rituelle Wanderung«, fuhr Matt fort. »Heutzutage scheint sie eher einem LSD-Trip zu gleichen.«
    »Traumzeit?« Rulfan runzelte die Stirn. »Man bringt sie zum Träumen?«
    »Wenn du so willst.« Sie schlenderten in das Lager hinein. Die Leute vor den Zelten und Hütten lächelten teilnahmslos. Sieben Anangu begleiteten die Männer auf Schritt und Tritt. Sie waren mit Bumerangs, Speeren und Schwertern bewaffnet. Zwei von ihnen erinnerten an braungebrannte Weiße und waren relativ groß. Die anderen fünf sahen aus wie die meisten Anangu, die Matt bisher kennen gelernt hatte: klein, sehnig, zierlich und dunkelhäutig. »Alle diese Telepathen hier haben die Traumzeit hinter sich gebracht. Es ist eine Art Prüfung.«
    »Ich habe mit einigen von ihnen gesprochen«, sagte Rulfan. »Sie kamen mir vor, als hätten eine ekstatische Erfahrung hinter sich. Wie einen Orgasmus, einen starken Drogenrausch oder ähnliches. Eine Frau nannte es ›sich mit IHM vereinigen‹. Frag mich nicht, wen sie meinte.«
    »Sie meinte eine Gottheit, die bei den Anangu ›Ahne‹ genannt wird, oder auch einfach nur ›HERR‹. Auch Daagson sprach von ihr.«
    »Eine Gottheit?« Rulfan machte eine skeptische Miene. »Das müsste schon eine sehr reale und wirkungsvolle Gottheit sein. Oder wie erklärst du dir all diese selig-blöden Gesichter hier?« Rulfan wies auf die Männer und Frauen, an denen sie vorbei gingen. »Diese Leute haben irgendwas erlebt, das sie von Grund auf verändert hat. Oder denk an Aruula – glaubst du wirklich, eine Frau wie sie wandert Tausende von Kilometern, nur weil sie ein religiöses Erlebnis hatte? Und dann diese Vision vom brennenden Felsen –Victorius sah sie in Zentralafrika, Cahai irgendwo an der Küste des chinesischen Meeres, und all diese Leute hier sahen sie irgendwo und irgendwann und machten sich auf den Weg zu einem Ziel, das sie gar nicht kennen konnten. Wenn du mich fragst, glaube ich eher an eine Art paramentale Suggestivkraft.«
    Er blieb bei einer Gruppe von Frauen stehen und fragte nach Aruula. Niemand konnte mit seiner Beschreibung etwas anfangen.
    Sie gingen weiter. »Woher weißt du von der Traumzeit?«, wollte Rulfan wissen. »Und wie kommst du darauf, dass sich eine Art Prüfung dahinter verbirgt? Wer prüft da überhaupt? Und was wird da geprüft?« Er grinste müde. »Prüft da eine Gottheit den Glauben ihrer Anhänger?«
    »Das ist gar nicht so weit daneben«, sagte Matt nachdenklich. »Auf meinem Weg hierher kam ich in eine Siedlung, in der lauter Telepathen lebten, die in der Traumzeit gescheitert waren.«
    »Leute, die durch die Prüfung gefallen waren?« Rulfan schlug einen spöttischen Unterton an.
    »Es ist nicht witzig.« Matthew Drax’ Stimme klang plötzlich sehr ernst, und seine Miene wurde eigenartig kantig. Er senkte die Stimme. »Ich habe dort eine Frau getroffen, die behauptete, Aruula in der Traumzeit begegnet zu sein.«
    Rulfan blieb stehen. Aus schmalen Augen sah er den anderen an.
    »Und das glaubst du?«
    Matt zuckte mit den Schultern. »Es ist nicht einfach nur ein Traum oder eine Drogenreise, weißt du? Sie bringen zum Beispiel Verletzungen aus der Traumzeit mit.«
    »Nun, in einem ekstatischen Zustand stößt man sich schon mal den Kopf an«, sagte Rulfan leichthin. »In einem Rausch sowieso.«
    »Ich spreche von wirklichen Verletzungen«, sagte Matt leise. »Ein Gegner bricht ihnen in der Traumzeit den Arm, und wenn sie wieder bei Bewusstsein sind, ist ihr Arm tatsächlich getroffen.«
    »Das kann ich nicht glauben.«
    »Dann lass es bleiben.«
    »Und was für einen Sinn soll so eine Prüfung haben?« Rulfans Blick hatte jetzt etwas Lauerndes.
    »Irgendjemand will wissen, ob er diese armen Leute brauchen kann.«
    »Brauchen? Wofür brauchen?« Rulfan Stimme klang plötzlich belegt. »Und wer?«
    »Die Macht, die sich hinter diesem Ahnen versteckt«, sagte Matt.
    »Die Macht, die einem Mann wie Daagson zu morden gebietet und Menschen wie Aruula und Cahai und deinen exotischen Afrikaner von einem beliebigen Ort der Welt bis hierher zu locken versteht.«
    Sie waren stehen geblieben, und eine Menschentraube hatte sich um sie versammelt. Kindisches Lächeln und leere Gesichter, wohin sie blickten. Hinter den Köpfen der Menge sah Matthew Drax die Anangu lauern. Die kleinen Männer ließen sie nicht aus den Augen.
    »Das klingt mir zu…«

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