190 - Der Finder
Schlampe?«
Cantalic holte aus und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. »Woher kommst du? Wo wolltest du hin? Warum hast du unsere Tiere getötet, du Mistkerlchen!« Wieder schlug sie zu, noch heftiger diesmal.
Für einen Moment sah Daa’tan Sterne und glühende Ringe tanzen, denn sie hatte zweimal so brutal zugeschlagen, dass sein Kopf gegen die Wand geknallt war. Mordgedanken schossen ihm durch den schmerzenden Schädel. Er blickte auf seine Handgelenke. Gefesselt, mit grünen fasrigen Flechtstricken, genau wie seine Füße.
»Los, rede!« Sie trat ihn in die Nieren, und das tat elend weh.
Daa’tan kreischte auf, warf sich herum, stieß gegen ihre Schenkel und biss sie oberhalb des Knies ins Bein, mit aller Kraft, die der Schmerz und seine Wut in ihm freisetzten. Sie schrie und trat nach ihm.
Drei oder vier Krieger stürzten zu ihm, rissen ihn von ihr weg und stießen ihn wieder gegen die Wand. Die rote Kriegerin tobte wie eine Besessene. Sie trat nach ihm und schlug nach den Kriegern. So gut er konnte, kauerte sich Daa’tan zusammen und versuchte seinen Kopf mit den gefesselten Armen zu decken. Als sie wieder auf den Jungen losgehen wollte, sagte die Fette mit dem Säugling etwas zu ihr, und sie hielt inne und hörte zu.
»Daa’tan«, sagte das unheimliche Weib, und dann noch ein paar halbe Sätze, von denen Daa’tan nur Bruchstücke verstand: »Mutter« und »Uluru« und »Gedankenmeister« und »Grao«. Er begriff: Sie hatte in seinen Gedanken gelesen. Und er begriff auch, dass diese unheimliche dicke Mutter insgeheim die Nummer Eins dieser rothaarigen Menschen war. Und dass die Männer ganz unten in der Rangordnung standen, begriff er auch. Er hätte nicht erklären können, wie er darauf kam, er wusste es einfach und es leuchtete ihm ein.
All das machte ihn noch wütender, als er ohnehin schon war. Er zerrte an seinen Fesseln, doch sie gaben nicht nach, faserten nur aus.
Die rote Kriegerin bellte Befehle in den Raum. Fast die Hälfte der Kriegerinnen und Krieger verließen daraufhin das Haus. Daa’tan hörte ihre Schritte draußen vor dem Fenster. Schickte die rote Kriegerin ihre Leute etwa aus, um Grao zu fangen?
Die fettleibige Mutter fing an zu toben. »Dämon!« Die Telepathin stampfte mit dem Fuß auf. »Dämon!« Das Kind an ihrem Busen verlor die Brustwarze und fing an zu plärren. »Tod dem Dämon! Tod dem Dämon! Weg, weg!« Die beiden Krieger an ihrer Seite mussten sie festhalten. Daa’tan fühlte sich, als hätte man ihm die stumpfe Seite einer Axt vor die Stirn geschlagen. Er begriff nichts mehr.
»Gut«, sagte die Frau, die Cantalic hieß. »Das reicht. Tötet ihn.«
Daa’tan verstand jedes Wort. Die Kriegerin trat ein paar Schritte zurück. Zwei Männer geleiteten die stinkende Telepathin mit dem Kind aus dem Raum. Sie grunzte und heulte und schnaubte wie ein wildes Tier.
Daa’tan saß wie erstarrt. Hatte er richtig gehört? Ihn töten ?
Ungläubig starrte er die rote Kriegerin und ihre bewaffneten Weiber und Kerle an. Ihre Mienen waren ausdruckslos. Todesangst packte ihn.
»Dirty Charley und Sweet Charley!« Herrisch winkte die Frau im roten Pelz zwei Krieger aus der Menge im Raum und zeigte auf Daa’tan. »Totschlagen.«
Die Männer traten vor, hagere braungebrannte Kerle mit Bartstoppeln und dicken Zöpfen aus rotem fettigen Haar. Wut, Angst und tausend grelle Bilder rasten durch Daa’tans Knabenkopf.
»Mutter!«, brüllte er. »Grao!« Der rechte Krieger zog ein Beil, der linke ein langes Schwert. »Nicht wehtun. Ich bin doch noch ein kleiner Junge!« Er zog die Beine an und hob die gefesselten Arme vor das Gesicht. Jede Faser seines Körpers war getränkt mit Todesangst. »Wo bist du, Mutter?« Er biss in seine Fesseln.
Kleine Triebe bohrten sich aus den geflochtenen Pflanzenfasern seiner Fesseln. Daa’tan glaubte erst zu träumen, doch dann fiel sein Blick auf den Boden zwischen sich und den Charleys: Wurzelfasern sprossen aus den Ritzen zwischen den Bodendielen. Die Krieger bemerkten es auch, blieben stehen, runzelten die Stirnen und glotzten zu Boden.
Die Wurzeln wurden stärker, wuchsen höher, wurden rasch zu Pflanzenstängeln, und schließlich hob die entfesselte Kraft ihres jähen Wachstums ein paar Bodendielen an. Es knarrte und ächzte und knackte. Ein Aufschrei ging durch die Krieger und Kriegerinnen.
Daa’tan stockte der Atem.
Entsetzt wichen die Rotzöpfe allesamt zurück, auch ihre Anführerin. »Wirklich ein Dämon«, stöhnte
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