190 - Der Sohn des Vampirs
sie dieses Haus auf der anderen Seite verließ, während er hier wie ein Idiot mit laufendem Taxameter auf ihre Rückkehr wartete?
So etwas war ihm noch nie passiert, denn für gewöhnlich war er mißtrauisch und übervorsichtig, aber bei diesem Mädchen hatte er das für überflüssig angesehen.
Du Hornochse hast dich von ihrem hübschen Gesicht täuschen lassen! dachte er ärgerlich. Recht geschieht dir! Das wird dir hoffentlich eine Lehre sein! Man kann heutzutage überhaupt keinem mehr trauen!
Es war Sutton unmöglich, sich noch länger in Geduld zu fassen, deshalb stieg er aus und ging viermal neben dem Taxi auf und ab. Dann blieb er stehen und schaute an der Fassade hoch.
In welchem Stock wohnte das Mädchen, wenn es überhaupt in diesem Haus eine Wohnung hatte? Er nahm noch einen Zug von der Zigarette, warf die Kippe dann auf den Boden und trat drauf. Der Rauch entstieg mit dem nächsten Ausatmen seinen Nasenlöchern.
Sutton fand, daß er lange genug gewartet hatte. Nun mußte etwas geschehen. Er zog die Schultern hoch, furchte grimmig die Stirn und betrat das Haus.
Er läutete an der Hausmeistertür, und eine blasse Frau öffnete ihm. »Was kann ich für Sie tun?« fragte sie. Sie bewegte dabei fast nicht den Mund.
Hinter ihr tauchte ein Mann auf, der genauso krank aussah wie sie. Die scheinen eine Sommergrippe oder etwas ähnliches erwischt zu haben, überlegte der Taxifahrer.
»Ich stehe mit meinem Taxi hier vor dem Haus«, sagte Sutton. »Ich habe ein blondes Mädchen hergebracht.« Er beschrieb Karen Gray. »Sie sagte, ich solle warten, sie wolle gleich wieder zurückfahren, und nun kommt sie nicht wieder. Kennen Sie die Lady vielleicht?«
»Das muß Karen Gray sein«, meldete sich ein bleicher Junge zu Wort.
Auch krank, dachte Mike Sutton. Die ganze Familie hat es erwischt. Hoffentlich stecken die mich nicht an, ich kann mir keinen Krankenstand leisten.
»Okay, Karen Gray«, sagte Sutton.
»Sie wohnt im fünften Stock«, erklärte Erna Palance.
»Vielen Dank, ich werde mal zu ihr hochfahren«, sagte der Taxi Driver. Er wollte sich umdrehen und zum Fahrstuhl begeben, da fielen ihm die beiden Wunden an Erna Palances Hals auf. »Was haben Sie denn da, Madam?«
Die beiden Männer hatten dieselben Wunden. Sutton hatte solche Verletzungen in einigen Horrorstreifen gesehen. In Vampirfilmen!
Erna Palance öffnete den Mund und stieß ein aggressives Fauchen aus, gleichzeitig entblößte sie ihre langen Vampirhauer. Mike Suttons Augen weiteten sich in ungläubigem Schrecken.
Waren das wirklich Vampire? Die ganze Hausmeisterfamilie? Der Taxifahrer glaubte, seine Sinne würden ihm einen üblen Streich spielen.
Er hätte schnellstens die Flucht ergreifen müssen. Statt dessen starrte er zuerst Erna Palance, dann ihren Mann und schließlich ihren Sohn fassungslos an. Wertvolle Sekunden vertickten, und als er endlich begriff, daß er sich schleunigst aus dem Staub machen mußte, war es dafür bereits zu spät. Die Frau packte blitzartig sein Handgelenk und riß ihn in die Wohnung.
Jetzt fauchten auch Albert und Boris Palance.
Erna stieß die Tür zu und ließ Mike Sutton über ihr vorgestrecktes Bein stolpern. Er stürzte. Hart landete er auf dem Boden, und die Vampirfamilie fiel sofort über ihn her.
Er wehrte sich verzweifelt, schlug wie von Sinnen um sich. Er stieß Erna Palance zurück, und seine Fäuste trafen die Gesichter von Albert und Boris.
»Haltet ihn fest!« geiferte Erna. »Sorgt dafür, daß er sich nicht bewegen kann!«
Mit schmerzhafter Härte griffen die männlichen Vampire zu, dennoch schaffte es Sutton, sie abzuschütteln und aufzuspringen. Boris wollte ihn gleich wieder zu Boden werfen, doch Sutton schloß seine beiden Hände zu einer großen Doppelfaust zusammen und traf den bleichen Jungen mit großer Wucht.
Boris landete unter dem Küchentisch, aber er erhob sich sofort wieder.
Sutton versuchte auch Albert Palance niederzustrecken, doch der bleiche Mann wich aus, duckte sich und warf sich gegen ihn.
Gemeinsam mit Erna brachte er den Taxifahrer erneut zu Fall, und Boris griff wieder ein. Er und sein Vater hielten Mike Sutton fest. Sie preßten ihn auf den Boden, damit sie ungehindert sein Blut trinken konnten.
***
Vicky Bonney kam gut gelaunt nach Hause. Der Grafiker war ein interessanter Gesprächspartner gewesen - ein seriöser, distinguierter, intelligenter Mann, mit dem man sich blendend unterhalten konnte. Er hatte einige Zeichnungen mitgebracht, die Vicky sehr
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