190 - Der Sohn des Vampirs
beeindruckt hatten.
Sicherheitshalber hatte sich Vicky vom unsichtbaren Boram begleiten lassen. Es wäre nicht nötig gewesen, wie sich inzwischen herausgestellt hatte, aber das konnte man im vorhinein ja nie wissen.
Beim Eintreten rief Vicky die Freundin, doch Karen meldete sich nicht. Mr. Silver kam aus der Küche und wollte wissen, wen Vicky soeben gerufen hatte.
Die Schriftstellerin klärte den Hünen mit den Silberhaaren auf und fragte beunruhigt: »Ist sie nicht hier?«
»Außer uns beiden ist niemand da«, antwortete der Ex-Dämon. »Abgesehen von Shavenaar natürlich.«
Boram wurde sichtbar.
»Und diesem Dampf-Kameraden da«, ergänzte Mr. Silver.
»Sie wird doch nicht.. Vicky unterbrach sich nervös. Karen erwähnte kurz, daß sie einige Dinge aus ihrer Wohnung brauche. Ich sagte, ich würde morgen mit ihr hinfahren. Ich dachte, wir wären uns darüber einig, und nun reitet sie diese Extratour. Das gefällt mir nicht.«
Sie eilte in den Salon und rief bei der Freundin an, doch Karen Gray hob nicht ab.
»Hoffentlich ist ihr nichts zugestoßen«, seufzte die Schriftstellerin.
»Vielleicht befindet sie sich bereits auf dem Rückweg«, sagte der Ex-Dämon, um Vicky zu beruhigen.
»Ja, hoffentlich«, flüsterte sie.
***
Das Haus stand in Euston, war möbliert und derzeit unbewohnt, das hatte Ragon ausfindig gemacht. Es gehörte einem Schiffssteward, der sich auf großer Fahrt befand, wie einigen Notizen, die auf seinem Schreibtisch lagen, zu entnehmen war. Er würde erst im nächsten Monat nach Hause kommen. Inzwischen konnten der Vampir und seine Geliebte, Karen Gray, frei über die Wohnung verfügen.
Die Angst hatte Karen verlassen wie ein scheuer Vogel. Sie fürchtete Ragon nicht mehr. Sie war seine Blutbraut, hing an ihm und war bereit, alles für ihn zu tun.
Er erzählte ihr von seinem Vater, und sie erfuhr von Loxagon und vieles andere mehr. Dadurch bekam sie Einblick in das Machtgefüge der Hölle, der sie eines Tages selbst angehören würde, nämlich dann, wenn Ragon zuviel von ihrem Blut getrunken hatte und sie an Entkräftung starb. Denn danach würde sie sich als Vampirin erheben und ewig an Ragons Seite leben.
»Wirst du mir helfen, meinen Vater zu befreien?« fragte Ragon.
»Was soll ich tun?« wollte Karen wissen.
»Menschenopfer werden meinem Vater die Freiheit wiederbringen.«
Karen Gray verstand. Sie nickte.
Ragon erklärte ihr, wie sie Vorgehen solle, und sie traf eiskalt die nötigen Vorbereitungen. Als sie das Haus verlassen wollte, hielt der Vampir sie zurück. »Bleib nicht zu lange fort.«
»Etwas Zeit mußt du mir schon lassen« erwiderte das blonde Mädchen.
Der Blutsauger ließ sie los und gab ihr ein Halstuch, mit dem sie die Bißwunde verdecken sollte. Sie ging, und Ragon wußte, daß er sich auf sie verlassen konnte. Sie würde zu ihm zurückkommen, denn er übte eine Anziehungskraft auf sie aus, die so stark war, daß sie sich ihr nicht widersetzen konnte.
In einem Pub gleich gegenüber ließ sie sich von einem gutaussehenden jungen Mann zu einem Drink einladen. Er hieß Chuck Maxwell, war Architekt und hatte viele große Pläne im Kopf, die er aber nicht realisieren konnte, weil es ihm zur Zeit noch an der nötigen Unterstützung maßgeblicher Persönlichkeiten fehlte.
»In dieser Stadt ist es wie in jeder anderen«, sagte er. »Ohne Beziehungen läuft nichts. Man muß die richtigen Leute kennen. Männer, deren Namen in der Hochfinanz einen klangvollen Namen haben… Ich werde meine Pläne verwirklichen, einen nach dem anderen, darauf können Sie wetten, Karen.«
»Darauf möchte ich mit Ihnen anstoßen, Chuck«, sagte sie und lächelte ihn verheißungsvoll an.
Er verstand ihren Blick, aber er hatte noch nicht den Mut, aufs Ganze zu gehen.
Karen sorgte dafür, daß er mehr trank, als er vertrug. Als er dann mit schwerer Zunge sprach und keine Hemmungen mehr hatte, anzudeuten, daß er gern mit ihr schlafen würde, sagte sie: »Ich wohne nicht weit von hier.«
Maxwell grinste glücklich und ohne Argwohn. Er winkte dem Wirt, bezahlte die Drinks und erhob sich. Sie verließen das Pub, und Karen hängte sich bei ihm ein.
Sie überquerten die Straße, und Karen vergewisserte sich, daß niemand sie beobachtete, bevor sie die Haustür öffnete und vor Maxwell eintrat.
Der Architekt ließ ihr kaum Zeit, Licht zu machen. Er fiel sofort über sie her, als wollte er sie mit Haut und Haaren verschlingen.
Es fiel ihr schwer, seine Küsse zu ertragen, und noch mehr
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