193 - Im Schatten der Tower Bridge
konnten.
»Wir werden schleppen wie Packesel«, sagte er grinsend. »Es wird das letzte Mal sein, daß wir arbeiten müssen. Danach werden andere für uns arbeiten.«
***
Pater Severin schüttelte beeindruckt den Kopf. »Das ist eine schreckliche Geschichte, mein Sohn.«
»Wem sagen Sie das, Pater?« gab Benny Stack heiser zurück. »Ich habe sie hautnah miterlebt. Noch einmal würde ich das nicht durchstehen. Deshalb ist es mir auch unmöglich, das Geisterschiff zu betreten. Es gibt keine weltliche Waffe, mit der man diese Greuelwesen vernichten kann. Deshalb kam ich zu Ihnen.«
»Daran haben Sie gut getan«, sagte der Priester. »Ich werde sogleich einige Dinge ins Rollen bringen.« Sie verließen das Pfarrhaus. Pater Severin schloß seinen alten, moosgrünen VW-Käfer auf und forderte Benny Stack auf, einzusteigen. »Ich nehme Sie mit, Ihre Wohnung liegt auf meiner Strecke«, sagte er. Er ratterte mit seinem fahrbaren Untersatz los.
Zu schönen Autos hatte er keine Beziehung. Er brauchte bloß einen Wagen, der ihn nicht im Stich ließ und zuverlässig von A nach B brachte. Alles andere war ihm nicht wichtig.
Vor dem Haus, in dem Stack wohnte, hielt Pater Severin kurz an. »Grüßen Sie Nelly von mir«, trug er dem Maschinisten auf. »Sagen Sie ihr, daß ich sie in der Kirche vermisse, sie solle sich da doch mal wieder blicken lassen.«
»Ich werde es ihr bestellen, Pater«, versprach Benny Stack, und der Priester fuhr weiter.
Zu Hause fand Stack eine Nachricht von Nelly vor: »Ich habe dich verlassen. Suche mich nicht, und warte nicht auf mich, denn ich habe nicht die Absicht, zurückzukommen. Unsere Beziehung war lange schon tot, aber wir wollten es nicht wahrhaben. Es war Zeit, einen Schlußstrich zu ziehen. Ich habe es hiermit getan. Viel Glück für Deinen Neubeginn. - Nelly.«
Er sah sich in der Wohnung um. Sie hatte alles, was ihr gehörte, mitgenommen, auch ihren Anteil vom Geschirr.
Der Verlust schmerzte ihn nicht. Nicht nach dem, was er heute schon hinter sich hatte.
***
Bei Yellow Bull Trans schien man rund um die Uhr zu arbeiten. Riesige Frachtfahrzeuge kamen »nach Hause« oder wurden abgefertigt. Die Mannschaften wurden ausgewechselt, die Trucks mußten weiterrollen, denn darin lag der Verdienst.
Ross McKay war sehr stolz darauf, die Firma mit seinen eigenen Händen aufgebaut und groß gemacht zu haben. Daß er Leute wie Tucker Peckinpah zu seinen Kunden zählen durfte, war in erster Linie sein Verdienst, denn Zuverlässigkeit war für ihn oberstes Gebot.
Fiel mal ein Fahrer aus und war kein Ersatz aufzutreiben, sprang McKay ein und donnerte mit seinem Brummer -jeder hatte einen unübersehbaren gelben, schnaubenden Bullen an den beiden Flanken - wie in alten Zeiten durch die Gegend.
Dieser Mann wirkte wie ein Rammbock auf mich. Ross McKay schien von den dicksten Mauern nicht aufzuhalten zu sein. Er war groß und schwer, und sein weißblondes Haar war schon ziemlich schütter. Seine Herzlichkeit wirkte echt, sein Händedruck war schmerzhaft. Er schien zuviel überschüssige Kräfte zu haben.
Trotz der herrschenden Hektik nahm er sich Zeit für uns, als wir den Namen Tucker Peckinpah fallen ließen. Er führte uns in sein Büro, sagte seiner Sekretärin, daß er nicht gestört werden wolle, und schloß die Tür.
Nebenan ratterten eine elektronische Schreibmaschine, ein Fernschreiber und ein Nadeldrucker um die Wette. Im Firmenhof dröhnten die PS-starken Dieselmotoren - und Ross McKay strahlte die Ruhe und Gelassenheit eines buddhistischen Mönchs aus.
»Gentlemen, was kann ich für Sie tun?« erkundigte er sich freundlich lächelnd.
»Yellow Bull Trans übernahm heute auf dem Heathrow Airport eine Fracht, die mit einer Sondermaschine aus New York kam«, sagte ich.
»Eine Säule«, erinnerte sich Ross McKay. »Vielmehr ein Säulenstück, etwa zwei Meter groß. Wir sollten es nach King’s Cross in eines von Mr. Peclinpahs Lagerhäuser bringen.«
»Das ist nicht geschehen«, sagte ich.
Ross McKay sah mich entgeistert an. »Wie bitte?« Er glaubte wohl, sich verhört zu haben.
»Die Säule wurde nicht nach King’s Cross gebracht«, sagte ich.
»Wohin denn sonst?«
»Das hätten wir gern von Ihnen erfahren, Mr. McKay«, antwortete ich.
»Das Frachtgut erreichte seinen Bestimmungsort nicht? So etwas ist noch nie passiert.«
»Mr. McKay, wir sind nicht hier, um nach irgendwelchen Schuldigen zu suchen und deren drakonische Bestrafung zu fordern«, sagte ich versöhnlich. »Wir
Weitere Kostenlose Bücher