193 - Im Schatten der Tower Bridge
verfärbten sich Morron Kulls Augen. Sie wurden violett! So etwas hatten die Rocker noch nicht gesehen. Sie wichen verstört zurück, und die Waffen in ihren Händen verwandelten sich, wurden weich und glitschig, wurden zu kleinen, schleimigen Ungeheuern, die die Rocker entsetzt fallen ließen. Auf dem Boden zerplatzen sie, und eine violette Flüssigkeit spritzte heraus.
Sie klatschte gegen die Beine der Rocker, die nicht begreifen konnten, was sie erlebten, und fraß sich aggressiv durch das Leder der Schaftstiefel, bis an die Haut.
Brennende Schmerzen peinigten die Rocker. Schreiend und humpelnd ergriffen sie die Flucht. Wenn mehr Zeit gewesen wäre, hätte Morron Kull sie nicht entkommen lassen.
»Weiter!« drängte Tucker Peckinpah, und sie setzten ihren Weg zu den Sampson-Brüdern fort.
***
Vicky Bonneys Versuch, Tony Ballard im Rover zu erreichen, scheiterte. Sie legte den Telefonhörer in die Gabel und sah Roxane und Pater Severin ratlos an.
»Dann muß es eben ohne Tony und Mr. Silver gehen«, sagte der Priester.
»Ihr nehmt auf jeden Fall Boram mit«, entschied Vicky und rief den Nessel-Vampir. Sie informierte die Dampfgestalt kurz und sagte dann: »Ich möchte, daß du Roxane und Pater Severin zum Hafen begleitest.«
Der weiße Vampir nickte stumm. Für ihn war alles klar.
***
Jeder hatte zwei Falttaschen bei sich. In ihrem ganzen Leben hatten sie sich noch nicht so abgeschleppt, wie sie es demnächst mit Hyram Todds Gold tun würden.
April Wills machte nur mit, weil sie das in Aussicht gestellte Geld verdammt gut gebrauchen konnte. Wie Thomas Nessman und Mitch Hayworth sie beteiligen würden, war nicht festgelegt worden, aber die beiden würden bestimmt nicht kleinlich sein.
Sie würde natürlich kein Drittel der Beute bekommen, aber wenn Thomas und Mitch genug von Bord schleppten, konnte sie auch mit weniger zufrieden sein.
April hätte das waghalsige Unternehmen schon gern hinter sich gehabt, dabei hatte es noch nicht einmal richtig angefangen. Sie hatten eben erst das Blue Tavern durch die Hintertür verlassen.
Wenn ihr gestern jemand prophezeit hätte, daß sie an so einer verrückten, unheimlichen und riskanten Sache mitmachen würde, hätte sie gesagt, er wäre nicht ganz sauber im Oberstübchen.
Doch nun war sie drauf und dran, ihr Leben aufs Spiel zu setzen - für Gold vom Geisterschiff. Wahnsinn! Aber wenn es klappte, war sie all ihre finanziellen Sorgen mit einem Schlag los -und vielleicht konnte sie sich damit auch eine gesicherte Existenz aufbauen.
Nessman blickte sich mißtrauisch um. Wenn die Horror-Piraten von Bord gegangen waren, konnte man ihnen theoretisch überall begegnen.
»Sie werden sich nicht allzuweit von ihrem Schiff entfernen«, meinte Mitch Hayworth, als hätte er Nessmans Gedanken erraten.
»Deshalb heißt es jetzt schon, auf der Hut zu sein«, gab Thomas Nessman zurück. »Sowie wir einen von ihnen sehen, blasen wir die Aktion ab und verduften, klar?«
April Wills und Mitch Hayworth nickten synchron.
»Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich eine Waffe hätte«, preßte Hayworth gespannt hervor. »Ich meine natürlich eine, mit der ich was gegen die Horror-Piraten ausrichten kann. Irgend ’nen magischen Dolch oder ’nen Ballermann, der mit geweihten Silberkugeln geladen ist.«
»Wenn wir’s schnell durchziehen, werden wir keine Waffe brauchen«, behauptete Thomas Nessman.
»Rauf auf den schwimmenden Sarg, Gold einsacken und wieder runter«, nickte Hayworth. »Ich weiß, wie du dir das vorstellst. Es hört sich so verdammt einfach an.«
»Das ist es auch, Junge. Wir brauchen nur ein bißchen Glück.«
»Eine Waggonladung voll Glück!« korrigierte Hayworth den Wirt.
Nessman sah ihn unsicher an. »Du willst doch nicht etwa kneifen?«
Hayworth grinste schief. »Denkst du, ich überlasse dir das Gold allein?«
»Na also.«
Sie erreichten das Hafenbecken, in dem die Nebelbank lag. Nessman leckte sich aufgeregt die Lippen. Daß sich ein Schiff im Nebel verbarg, war nicht zu sehen, aber Nessman verließ sich darauf, daß es da war.
Unter dem ausladenden Stahlskelett eines mächtigen Krans, der wie ein vorsintflutiches Tier zum tintigen Himmel emporragte, blieben sie stehen. Es gab in der Nähe einige große Container.
»Hier beziehst du irgendwo Posten, April«, sagte der Wirt.
»Okay«, gab das blonde Mädchen nervös zurück. Gleich würde sie mutterseelenallein sein, dann würden ihren Nervenstränge ganz schön zu flattern beginnen.
»Kannst du
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