1938 - Die Farben des Bösen
wir fortlaufen sollen?"
„Aus dem Para-Bunker? Ja. Ich habe eine geheime Mission zu erfüllen, einen kosmischen Auftrag."
„Was ist das für eine geheime Mission?"
„He, wenn ich es dir verrate, ist es doch kein Geheimnis mehr, oder?"
Tuyula schmollte. Sie verschränkte die langen Arme ineinander und drehte Garron vorwurfsvoll das hintere Augenpaar zu.
Garron überlegte rasch,- wie er sie wieder versöhnen konnte. Er mußte vorsichtig sein, daß er sich nicht zu sehr in sein Lügengespinst verstrickte.
„Ich darf es nicht sagen", redete er in verschwörerischem Tonfall auf sie ein. „Nur Quotor selbst kann dir das enthüllen."
Die schillernden Katzenaugen blinzelten, aber der Kopf blieb abgewandt.
„Wenn du dir Mühe gibst, kannst du ihn vielleicht einmal in der Hypersenke hören. Dann stelle ihm deine Fragen, und wenn du würdig bist, wird er dir die Antworten enthüllen."
Eine halbe Drehung des haarlosen, mit hübschen roten Mustern überzogenen Tellerkopfes. „Wenn ich würdig bin?" kam es zaghaft, fast um eine Nuance zu hoch.
„Ja, Kleines. Weißt du, auserwählt ist man nicht einfach so, man muß schon etwas dafür tun."
Der Kopf ruckte ganz herum. „Ich will dir ja helfen, Vincent, damit du endlich gesund wirst." Sie tastete mit ihrem Arm vorsichtig nach ihm. „Weißt du, ich habe ein bißchen nachgedacht, über dein Problem mit den Farben und so. Vielleicht ... vielleicht hast du deswegen Menschen getötet, weil du nur Schwarzweiß sehen kannst ... Ich meine, es ist, als sei alles falsch ..."
Sie suchte nach passenden Worten. Ihr blaßrosa gefärbter Kopf nahm dabei vor Anstrengung eine dunklere Farbe an.
„Wenn du all die wundervollen Farben nicht sehen kannst, ist alles nur düster, nicht wahr, und das ... tut dir irgendwie weh, und deshalb weißt du manchmal nicht mehr, was du tust. Ich weiß, wohin der Schmerz führen kann. Ich habe einmal einen Künfüss im Wald gefunden, er war fast ausgewachsen. Mutter hat gesagt, ich soll mich von ihm fernhalten, weil diese Tiere sehr gefährlich sind. Aber das stimmt gar nicht, sie greifen nie ohne Grund an. Der Künfüss war verletzt und rasend vor Schmerz, und er hat ziemliche Verwüstungen angerichtet, bis meine Brüder und Papa ihn endlich gefangen hatten. Wir haben ihn gesund gepflegt, und danach war er ganz zahm und lieb."
Tuyulas eifrige Stimme wurde plötzlich gedämpft. „Dann haben sie ihn gegessen", murmelte sie, mehr für sich.
Garron neigte den Kopf und fuhr sich durch die struppigen braunen Haare. „Es tut ja nicht richtig weh", sagte er leise. „Aber weißt du, ständig diese Stimmen zu hören ... das macht einen halb verrückt ... Ich kann sie einfach nicht zum Schweigen bringen."
Er tastete über die Narben in seinem Gesicht. So zusammengesunken wirkte er zerbrechlicher denn je, und Tuyula streichelte voller Mitleid seinen Arm. „Irgendwie ist meine Welt dunkel geworden, und nur selten dringt Licht hinein ..."
„Quotor prüft dich, ja?"
„Ständig aufs neue."
„Er wird dich auf den rechten Weg führen, Vincent. Wenn du seine Mission erfüllst, wird er dich mit der Welt der Farben belohnen."
Vincent Garron kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, damit Tuyula nicht das wilde Funkeln darin bemerkte. Farben, allein das Wort bringt mich fast zum Erbrechen. Ich hasse sie! Ich werde alle Farben vernichten und auslöschen, bis die Welt nur noch klar und rein ist, in Schwarz und Weiß, ohne die Lügen von Rot, die Abscheu von Gelb, die Verachtung von Blau. Sie sind das Böse, das wahrhaft Böse, das das Universum in seinen Bann hält, und alle sind seine freiwilligen Sklaven, weil sie es nicht wissen. Ich werde sie Wissen lehren und alle, die mein Wissen nicht annehmen wollen, vernichten!
Nur Tuyula nicht. Sie verstand nicht, noch nicht. Aber eines Tages würde er ihr alles sagen, ihr die Wahrheit anvertrauen, wenn sie soweit war. Tuyula war eine Irregeleitete, die gerettet werden konnte. Er würde sie retten, und sie würden zu einer Einheit verschmelzen, zu einem perfekten Ganzen. Keiner von ihnen würde mehr einsam sein, sie würden einander ohne Schranken verstehen und kennen ...
4.
Fehlfarben
In den nächsten Tagen gab es viel zu tun, auch für Tuyula. Vincent Garron ließ ihr jede Menge Informationen zukommen, damit sie ihn besser unterstützen konnte und um ihr zu zeigen, daß sie „wichtig" war. Selbst wenn die kleine Blue eher scheu und introvertiert war, konnte er sie nicht ewig in der
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