1946 - Der Fünfte Bote
dem Untergang geweiht ..."
Sechzig Sonnen.
Sechzig Sonnen, dachte Magredu, Großmeister des Ordens des Sandes, dritter Nachfolger des ehrwürdigen Sagorda, noch immer mit ungläubigem Staunen. Sechzig Sonnen, zusammengeschoben zu einer im Universum einzigartigen Ballung. Ein Käfig aus sechzig Sonnen, entstanden in Jahrhunderten kosmischer Architekturarbeiten, wie sie vielleicht noch keine Galaxis je gesehen hatte. Mit einer Technologie, die weit über das Verständnis eines jeden Gharrers hinausging, verschoben, gedreht und gewendet, auf mehrere genau aufeinander abgestimmte Ebenen gerückt.
Aber diese Technik ging auch über das Begriffsvermögen der Nonggo hinaus. Die großen, zerbrechlich wirkenden Sauerstoffatmer hatten sie von den Baolin-Nda erhalten, den Konstrukteuren und Baumeistern der Koalition Thoregon. Sie konnten sie zwar anwenden, bedienen, aber sie verstanden die Prinzipien nicht. Soviel hatte Projektleiter Vokoi Nunnoch Nurt ihm zugestanden, in einer jener guten Phasen, die er noch hatte. Die Trennung vom Makro-Neuron ihrer jeweiligen Sphärenräder und die Beschränkung auf Meso-Neuronen, wie sie in den Raumschiffen installiert waren, machte den Nonggo immer mehr zu schaffen. Wie Vokoi dem Meister des Sandes glaubhaft erklärt hatte, fühlten die Nonggo sich hier in Chearth, wo sie auf das große Neuron verzichten mussten, an das alle Erwachsenen gewöhnt waren, eines Großteils ihrer Sinneswahrnehmungen und zerebralen Fähigkeiten beraubt.
Doch sie hatten ihre Aufgabe ausgeführt. Das Gefängnis der sechzig Sonnen geschaffen. Den Sonnentresor, der zur tödlichen Falle für die Sonnenwürmer werden sollte. Und das keinen Augenblick zu früh. Denn die Guan aVar befanden sich bereits in Chearth. So hilflos und unzulänglich, wie die Nonggo in diesem Raumschiff sich trotz ihres Meso-Neurons vorkamen, so überflüssig und blind kam Magredu sich gerade wegen dieses Informationsgeflechts vor. Die Angehörigen des vierten Volks von Thoregon waren wenigstens durch ihre SES-Chips mit der allumfassenden Datensammlung verbunden, durch diese syntronischbionischen Schnittstellen miteinander und mit den technischen Einrichtungen ihrer Miniaturwelt vernetzt. Er hingegen verfügte über keinen solchen Chip, und die Hilfsmittel, die die Nonggo ihn in dieser überaus kritischen Phase des Unternehmens zur Verfügung gestellt hatten, genügten seinen Ansprüchen nicht.
Er machte den Nonggo keinerlei Vorwürfe. Sie hatten wirklich Wichtigeres zu tun, als sein Informationsbedürfnis zu befriedigen. Aber er fühlte sich völlig ohnmächtig. Ein kleiner Bildschirm, auf dem er kaum etwas ausmachen konnte, stellte seine einzige Verbindung zur Außenwelt dar, und eine Schalttafel mit zahlreichen Messinstrumenten sollte ihm verdeutlichen, was außerhalb der Balkenspindel der Nonggo vor sich ging. Seit Jahrhunderten war den Gharrern der Plan des filigran gebauten Thoregon-Volks - oder besser gesagt der Baolin-Nda - genau bekannt, doch ob er auch reibungslos in die Wirklichkeit umgesetzt werden konnte, das war eine ganz andere Frage. „Erkläre mir bitte, was. gerade ge schieht", forderte Magredu das syntronische Netz des Meso-Neurons auf. „Die sechzig Sonnen sind aufgeheizt worden und haben wie vorgesehen ihr Hyperspektrum verändert", antwortete die neutrale, eigens für ihn als Nichtvernetzten geschaffene Stimme des Neurons. „Sie weisen nun eine starke, spezielle Hyperausstrahlung auf, die die Guan aVar anlocken soll."
„Das alles ist mir bekannt", sagte Magredu ungeduldig. „Aber wie verhalten die Sonnenwürmer sich? Reagieren sie tatsächlich auf die Strahlung?"
Das Aufheulen von Alarmsirenen beantwortete seine Frage. Im gleichen Augenblick ging ein Ruck durch das Balkenschiff, und es schien sich aufzubäumen. Irgendwo dröhnten Generatoren auf und erzeugten für Gharrer unvorstellbare Energiemengen. Auf dem Schaltpult, vor dem Magredu saß, schlugen zahlreiche Messinstrumente aus. Bei einigen besonders fein kalibrierten drehten die Anzeigennadeln sich wie irrwitzig im Kreis. „Die energetischen Veränderungen in der Sonnenaktivität ergeben, dass die Sonnenwürmer sich tatsächlich auf den Köder gestürzt haben." Die Stimme des Neurons war im Getöse der Generatoren und sonstigen Geräte kaum noch auszumachen. „Wir versiegeln die Sonnenballung nun."
Magredu wusste, dass sich in diesem Augenblick auf allen Schiffen der Nonggo Ähnliches abspielte. Das war der kritische Moment. Gelang es, den Sonnentresor
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