1948 - Roman
beiden Gefechten, unserem und dem auf dem anderen Hügel. Lastwagen mit Lebensmitteln für Jerusalem blieben auf der Straße liegen, Panzerwagen wurden getroffen. Aus einem hörte man Schreie, der Feuerwechsel tobte weiter. Ich hatte keinerlei Erfahrung, wusste nicht, wie Kugeln sirren, hatte es noch nicht mit der Angst zu tun bekommen, weil das alles so aussah wie in einem Film im Volkshaus. Dann schrie der Kommandant eines Panzerwagens, in dem alle Soldaten getroffen waren, er könne nicht mehr, Blut fließe in Strömen, es gäbe Tote, die übrigen seien verwundet, und er würde nicht in Gefangenschaft gehen, wegen der Misshandlungen. Und »Schalom, Kameraden, Ende«, dann explodierte der Panzerwagen samt den verwundeten Insassen. Eine Feuersäule stieg auf, und es wurde still.
Die Araber flohen, um sich neu zu ordnen. Einige unserer Kämpfer waren von landwirtschaftlichen Ausbildungskursen gekommen und hatten Musikinstrumente dabei, die zwischen die Granaten fielen. Ich hörte eine Flöte von selber vor etwas spielen, das wie ein Maschinengewehr aussah. Später verfielen wir in einen wahren Bärenschlaf. Es war kalt. Wir lagen im Gras, jeder sein Gewehr mit Hakenkreuz im Arm. Die Lebensmitteltransporter standen unter den Bäumen. Lärm war zu hören. Es gab nichts zu essen. Etwas Wasser wurde verteilt. Einige hatten Dinge von zu Hause mitgebracht, aber die Anführer nahmen alles weg, was nicht kampfnotwendig war, und sagten, um sechs Uhr nach dem Krieg auf dem Mughrabi-Platz, neben der Telefonzelle, bekämen sie ihre Sachen zurück.
Am nächsten Morgen erhielten wir fünfundzwanzig Patronen pro Mann. Mosche Katz sagte, ein bedeutungsschwangerer Tag sei angebrochen, und ich erinnere mich, dass es mir damals vorkam, als wäre bei der Palmach jederTag bedeutungsschwanger – als ob der Tag dauernd guter Hoffnung wäre. Ich ging ein Stück und stolperte und sah Araber in unsere Richtung strömen. Einige von uns wurden losgeschickt, um von der anderen Seite des Wäldchens zu schießen, und wir kehrten zu dem verkohlten Panzerwagen zurück.
Wir zogen die toten Soldaten heraus und legten sie der Reihe nach auf den Boden. Sie sahen aus wie Fleischstücke in der Metzgerei. Später beerdigten wir sie. Wenn ich mich recht erinnere, war es eine schmerzliche Niederlage, bei der an die zwanzig Mann starben. Tiefe Trauer hing in der Luft. Zwei Tage später versuchten wir es von neuem. Die Kolonne der Panzerwagen und Laster stand im Dunkeln und wartete auf den Befehl, sie klang wie ein langer Zug, der die Maschinen warmlaufen lässt. Der Anführer kam zu mir und sagte, er habe von meinen Kameraden aus dem Lehrgang neun gehört, dass ich im Dunkeln sehen könne. Stimmt, sagte ich. Dann wirst du jetzt was für die Nation tun, erklärte er und ließ mich vor den Konvoi treten. Ich erhielt den Marschbefehl und ging auf der stark beschädigten Straße voran, hinter mir eine lange Kolonne von leise rollenden Lastern und Panzerwagen. Meine Aufgabe bestand darin, nach Drähten Ausschau zu halten, die quer über die Straße gespannt und mit Minen verbunden waren. Ich fand einige davon und gab jedes Mal ein Handzeichen, und gleich kam wer, um die Minen detonieren zu lassen.
Man muss ein Vollidiot sein, ja mehr noch als das, um durch Minenfelder zu laufen und zu glauben, das sei für die Nation, zumal ich diese noch gar nicht persönlich kennengelernt hatte. Als wir irgendwo angelangt waren, kam der Anführer auf mich zu – ich weiß nicht mehr, wer es war, nur dass er kurz darauf starb – und sagte mir, ich habemeine Sache ordentlich gemacht. Er gab mir eine runde Zigarette, das waren die guten. Normalerweise erhielten wir, wenn es denn Zigaretten gab, sieben runde oder zwanzig flache der Marke Latif. Es war schön, die runde Zigarette mit Virginia-Tabak zu rauchen.
Später erreichten wir die Kreuzung. Der Morgen »erstrahlte«, wie Lehrer Blich es liebte, ich stieg in einen Panzerwagen, und wir fuhren im Konvoi Richtung Jerusalem. Unterwegs gerieten wir unter Beschuss. Wir erwiderten das Feuer. Vermutlich hatte ich noch gar nicht ganz verdaut, dass ich vorher ein wandelnder Toter auf der Straße gewesen war, damit andere am Leben blieben. Wir erreichten die untere Pumpstation am Bab el-Wad und hielten an. Diesmal rannten wir die Hänge rauf und schossen auf die Bande, die Zigaretten verlor, welche wir einsammelten, und einer von uns wurde verwundet. Bei einem getöteten Araber fanden wir eine Landkarte von Kirjat Anavim, mit der
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