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1948 - Roman

1948 - Roman

Titel: 1948 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Feder gezeichnet. Einer der Unsrigen sagte, ich wusste gar nicht, dass Araber zeichnen können. Ja, erwiderten andere, aber auf Arabisch. Darauf der Erste: Wieso denn Arabisch? Arabisch wird gesprochen, nicht gezeichnet.
    Wir kehrten zurück, und die Kolonne fuhr wieder an. Mich hatten sie in einen Lebensmittellaster gesetzt, mit der Erklärung, von nun an sei ich Begleiter. Ich saß zwischen zwei Mehlsäcken. Hin und wieder wurde geschossen, aber nicht besonders viel. In Kirjat Anavim luden wir einen Teil der Ladung ab, dann ging es weiter, Richtung Jerusalem. Die Straße war schmal und schlecht. In den sieben Kehren bei Motza keuchte der Laster. Der Fahrer wurde von Geschützfeuer aus Colonia getötet, und der Lastwagen geriet ins Wanken. Jemand rannte vorwärts, sprang in die Fahrerkabine, zog die Handbremse, hob dentoten Fahrer auf unsere Mehlsäcke und wurde durch eine Kugel getötet. Nun war keiner mehr da, der fahren konnte, aber einer, der mit uns im Lehrgang neun gewesen war, sagte, Yoram hat mit Ari-Name-geändert gestohlene Autos gefahren. Ich hatte keine Zeit, zu erklären, dass ich noch nie einen Wagen gelenkt hatte, dass Ari-Name-geändert gefahren war, und kletterte in die Fahrerkabine. Ich erinnerte mich, dass man die Bremsen lösen muss, und drückte auf die Kupplung, der Motor knirschte, ich hielt das große Lenkrad, der Laster rumpelte, weil zwei Reifen geplatzt waren, auf den Felgen. Wir fuhren eine Stunde, vielleicht auch anderthalb. Wir standen die ganze Zeit unter Beschuss. Eine Kugel zertrümmerte den linken Seitenspiegel, und ich sah nicht mehr, was hinter mir passierte, denn der Innenspiegel war auch kaputt. Die sieben Kehren bei Colonia nahm ich langsam. Ich habe keine Ahnung, wieso ich fahren konnte. Wegen der zerbrochenen Spiegel hatte ich die Kumpels hinter mir nicht im Auge, aber ich wusste, dass sie schossen, und hörte den unterdrückten Aufschrei einer Frau, die wohl verwundet worden war. Dann plötzlich erkannte ich, dass diese Stimme, die so sanft und vernünftig klang, der Tochter von Ernst, dem Busenfreund meines Vaters, gehörte, die ich später in Jerusalem im Krankenhaus besuchte, ehe ich selbst mit meiner Verwundung eingeliefert wurde. Die süße blonde Ruth, die ich als Kind geliebt hatte, hinkte später ihr Leben lang.
    Wir kamen in Jerusalem an. Ohne zu wissen, welcher Wochentag war. Die Stadt hungerte nach Brot. Wir wurden mit Applaus empfangen. In den ultraorthodoxen Vierteln hissten die Leute weiße Fahnen und bewarfen uns mit Steinen. Ich kochte vor Wut. Ari-Name-geändert, der aus dem zweiten Laster stieg, und ich verprügelten einpaar der Steineschmeißer. Sie beschimpften uns auf Jiddisch und schrien Schabbes, Schabbes . Ari-Name-geändert klebte einen dieser Typen mit einem Faustschlag an die Wand und sagte, das wird dich schon lehren, was hier Schabbes ist.

12
    Bet Yuba – ein Phantasiename (und aus Taktgefühl und wegen meiner Zuneigung zu dem Mann, von dem ich jetzt erzählen möchte, ändere ich auch seinen Namen und nenne ihn N.). Das Dorf hatte etwas ungeheuer Sanftes, lag inmitten einer erez-israelischen Landschaft, wie es sie heute so nicht mehr gibt, auf einem Bergkamm im Schatten junger Tamarisken, ausladender Jujuben und dichter Zypressen. Es war ein Dorf, das in seiner Geschichte harte Kämpfe gesehen hatte, doch die waren nun vorbei. Unseren Kampf dort hatten wir – anders als die Römer und die Kreuzritter, die letzten Endes aus unserem Land verduftet waren – sehr wohl gewonnen.
    Ein Kamerad, den ich kannte, ohne mich an seinen Namen erinnern zu können, hing an einem Baum aufgeknüpft – zerstückelt, mit Bindfaden zusammengebunden und den Penis im Mund. N. verharrte vor seinem misshandelten Freund, und seine Miene verfinsterte sich. Sein dickes Haar stand vor Dreck, seine Kleidung war zerrissen, der eine Schuh hatte eine andere Farbe als der zweite, denn sie stammten von zwei verschiedenen Toten, und er hatte wohl aufgeschrien, aber wir hatten es nicht gehört, waren vielleicht schon ins Dorf einmarschiert und rasteten im Schatten eines Hauses unter einem Feigenbaum, um Stens und Gewehre zu reinigen, oder suchten arabische Schallplatten zum Mitnehmen. Oder wir hatten die Schreie doch gehört, uns aber nicht groß darum geschert.
    Wir hatten ja vorher den Berg erstiegen und dabei gesungen: »Wir ziehen hinauf und schießen«, und einer mit Megaphon hatte die Araber aufgerufen, das Dorf zu räumen. Die Anführer, die uns ausgeschickt hatten,

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