195 - Der goldene Tod
Selby ist ein unangenehmer Bursche«, stellte Glenn Palmer mit verdrossener Miene fest.
»Das möchte ich ihm abgewöhnen.« Gunn preßte die Kiefer zusammen. »Ich will, daß dieser Mann Angst vor mir hat.«
»Nichts leichter als das. Soll ich das in die Hand nehmen, Mr. Gunn?«
Der runde Geschäftsmann nickte mit finsterer Miene. »Man soll ihm einen gehörigen Denkzettel verpassen. Er muß die Lust verlieren, Afton noch einmal sehen zu wollen.«
Palmer bleckte die Zähne. »Wer nicht hören will, muß fühlen.«
»Ich muß mich meinen Gästen widmen.«
»Kein Problem, Mr. Gunn. Ich erledige das schon.« Der Sekretär griff zum Telefon, während Henry Gunn das Arbeitszimmer verließ.
***
Die Luft war verdammt dick im Hinterzimmer. Unter der tief hängenden Lampe mit dem grünen Schirm saßen vier Männer mit Spielkarten in den Händen. Jeder rauchte, deshalb konnte man die Luft beinahe schneiden.
Die Bar befand sich in Soho, der Wirt war ein alter Knastbruder, und viele seiner Gäste hatten auch schon mindestens einmal gesiebte Luft geatmet. Vermutlich fühlten sie sich deshalb so wohl bei ihm.
Man war unter sich.
In diesen Kreisen wurde oft gestritten. Man machte sich nichts daraus. Heute schlugen sich zwei Kerle die Schädel ein, morgen soffen sie miteinander, bis sie nicht mehr stehen konnten. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
Im Pott lagen etwa 300 Pfund. James Kirby hätte sie sich gern gekrallt. Er hatte kein schlechtes Blatt. Es konnte klappen. Zwei Mitspieler stiegen aus, und Kirby erhöhte, damit der Typ, der ihm gegenübersaß, weiche Knie bekam und ebenfalls paßte, doch der Bursche blieb cool und ging mit.
Man hatte Kirby vor diesem kaltschnäuzigen Hund, der bluffte, ohne mit der Wimper zu zucken, gewarnt. Es sollte auch schon mal vorgekommen sein, daß dieser Mann geschickt eine Karte aus dem Ärmel gefischt hatte.
»Das wagt er bei mir nicht«, hatte James Kirby überzeugt behauptet. Mit seinem eingeschlagenen Nasenbein und den Blumenkohlohren war er leicht als ehemaliger Schwergewichtsboxer zu erkennen. Wer ihn betrog, der durfte sich auf einen längeren Krankenhausaufenthalt freuen.
Als es soweit war, die Karten auf den Tisch zu legen, hatte Kirby vier Damen zu bieten - der andere aber vier Könige.
»Scheiße«, stieß er verdrossen hervor. Er hatte schon die Hände nach dem Geld ausgestreckt gehabt.
»Du kannst nicht immer nur Glück haben«, sagte der Mann grinsend. »Andere wollen auch mal tüchtig zulangen.«
Der Mann, der links von Kirby saß, machte diesen mit den Augen darauf aufmerksam, daß die Sache nicht reell zugegangen war.
»Sekunde!« Kirby griff blitzschnell unter den Tisch, packte die rechte Hand des Betrügers und schüttelte mehrere Karten aus seinem Ärmel. »Das darf nicht wahr sein! Du Schwein hast es tatsächlich gewagt, falsch zu spielen! Sieh mich an! Na los, sieh mich an und sag mir ins Gesicht, daß du mich für einen ausgemachten Trottel hältst!«
Der Mann konnte überhaupt nichts sagen. Seine Kehle war zugeschnürt, und ein Schweißfilm begann auf seiner hohen Stirn zu glänzen.
Kirby sprang auf. Er riß den anderen mit und schlug ihm seine klobige Faust ins Gesicht. Der Getroffene stöhnte auf und versuchte sich zu wehren, doch Kirby war viel kräftiger, und er kam immer mehr in Fahrt.
Den beiden anderen Spielern wäre es nicht im Traum eingefallen, dem Falschspieler beizustehen. Sie gönnten ihm jeden Schlag, den ihm Kirby versetzte.
Der Mann blutete aus Mund und Nase, die Schwellung über dem linken Auge sah böse aus, doch der Ex-Boxer hätte noch lange nicht von ihm abgelassen, wenn der Wirt ihn nicht ans Telefon gerufen hätte.
Er brachte den Sitz seines Anzugs in Ordnung und verließ das Hinterzimmer. Der Apparat stand auf dem Tresen, der Hörer lag daneben.
Kirby nahm ihn auf und meldete sich. Am anderen Ende war Glenn Palmer. Der rief nur an, wenn es jemanden zusammenzunageln galt, denn das war Kirbys Spezialität.
»Wie geht’s, Jim?« erkundigte sich Gunns Sekretär.
»Soeben wollte mich einer beim Pokern bescheißen. Er hat seine Lektion bereits gekriegt.«
Palmer lachte. »Dann bist du ja bereits warmgelaufen und kannst gleich weitermachen. Hör zu, wir haben da ein Sorgenkind, dem man klarmachen muß, daß es gesünder ist, Mr. Gunn nicht auf den Geist zu gehen. Der Mistkerl versucht, sich an Gunns Tochter ranzuschmeißen. Du weißt, wie heikel mein Chef auf das blonde Kind ist. Bring dem Knaben bei, daß wir nie wie
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