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195 - Verloren im Outback

195 - Verloren im Outback

Titel: 195 - Verloren im Outback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
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an ihren Elnak und murmelte: »Elisuu? Bist du hier irgendwo?«
    Sie erhielt keine Antwort und fasste einen schnellen Beschluss: Sie musste verschwinden.
    Sie konnte es der Horde nicht antun, dass man jemanden aus ihren Reihen einer Mordtat verdächtigte. Wenn sie fort war, würde es Sorban sicher leichter fallen, Herrn Ilmatz zu erklären, dass sie noch nicht lange zum Stamm gehörte und nur eine von Menschenhändlern gekaufte Lauscherin war…
    ***
    Gegen Abend tauchten weit entfernt die Umrisse einer Siedlung auf. Daa’tan trottete müde und mit schmerzenden Füßen darauf zu. Er war in einem Gewaltmarsch unter sengender Sonne von den Wüstenstrichen ins grüne Herz des Outbacks zurückgekehrt. Nur wohin dort, das wusste er nicht.
    Stunde um Stunde hatte er in der endlosen Weite mit ihren Grasflächen und Eukalyptushainen, den Flüsschen und roten Felsen nach Spuren menschlichen Lebens gesucht. Aber vergeblich. Es war niemand da, der ihm die Richtung hätte weisen können.
    Wie sollte er je den Uluru finden?
    Wie sollte er je seine Mutter finden? Diese Frage beschäftigte den Neunzehnjährigen mehr als alles andere.
    Einsamkeit war sein Begleiter, als er auf der staubigen breiten Straße nach Westen schritt, in den Sonnenuntergang.
    Am Straßenrand standen vereinzelte Bäume; hinter ihnen, in der Ebene, durchbrachen Buschbestände und Felsen das öde Grasland. Gelegentlich flog ein Vogel vorbei. Mehr gab es nicht im Outback.
    Der Himmel hingegen war spektakulär. Rote und goldene Feuerstreifen flammten am Horizont, vermischten sich darüber mit dem fahlen Blau des sterbenden Tages. Genau dort zog eine einzelne weiße Wolke dahin. Daa’tan behielt sie im Blick auf seinem Weg. Sie veränderte sich fließend, schien Formen nachzuahmen. Vorhin zum Beispiel hatte sie ausgesehen wie Victorius’ Roziere. Jetzt erwuchs aus ihren Rändern ein wohlbekanntes Profil.
    Ich wünschte, Grao wäre hier geblieben, dachte Daa’tan.
    Thgáan hätte den Anangu doch auch allein zum Kratersee bringen können! Wie hieß er gleich? Ach ja: Daagson.
    Missmutig kickte er einen Stein fort. Grao’sil’aana fehlte ihm, auch wenn Daa’tan es nicht zugeben wollte. Allerdings löste der Gedanke an den Daa’muren noch aus einem anderen Grund Verdruss aus. Wie wird der Sol reagieren, wenn Grao ihm erzählt, warum ich nicht mitgekommen bin?
    Der Sol. Höchster und allseits respektierter Anführer der Daa’muren. Daa’tan hasste ihn, doch er fürchtete ihn auch, denn sein Wort war Gesetz, und seine Macht kannte keine Grenzen. Dank dieser Macht hatte der Sol eine Versuchsreihe angeordnet, in der genetisch manipulierte Pflanzen mit menschlicher DNS verschmolzen wurden, um einen Wirtskörper zu erschaffen. Das Projekt endete vorzeitig, weil sich die grünen Probanden als inkompatibel zu den daa’murischen Geistern entpuppten. Alle Gewächse wurden eingesammelt und verbrannt.
    Bis auf eins, das von einer Horde Primitiver als höheres Wesen verehrt und fortgeschafft wurde.
    Den »Pflanzengott«. Daa’tans zweiten Vater.
    Hätte es ihn nicht gegeben, wäre Aruula nicht mit pflanzlicher DNS infiziert gewesen, als Mefju’drex, der Primärfeind der Daa’muren, mit ihr schlief. Daa’tan wäre als normales Kind gezeugt worden und müsste sich jetzt nicht mit der Tatsache auseinandersetzen, dass man ihn um sein Leben betrogen hatte. Er war dazu verdammt, alle zwölf Monate einen Wachstumsschub hinzunehmen. Zwei, drei Wochen katatonischer Starre in einem Blätterkokon, aus dem er um Jahre gealtert heraus kam.
    Ich werde tot sein, bevor meine Mutter die ersten Falten bekommt! Daa’tan schluckte die Enge aus seinem Hals und atmete tief durch. Wem konnte er die Schuld zuweisen? Dem Sol? Dem Pflanzengott? Mefju’drex? Aruula? Wer hatte seinen heißen, inbrünstigen Hass am meisten verdient… und den Tod?
    Eigentlich hasste Daa’tan alle Beteiligten. Sie alle hatten ihm sein Leben gestohlen, und er hätte sie liebend gern dafür bestraft. Ohne Ausnahme. Doch das ging nicht, denn er brauchte ein bisschen Familie, wie jeder andere Mensch.
    Also, wer musste büßen? Der Sol? Unmöglich. Erstens war er zu mächtig, und zweitens hatten er und die Daa’muren ihn aufgezogen, da siegte die Verbundenheit über den Zorn.
    Der Pflanzengott? Niemand kannte seinen Aufenthaltsort.
    Wenn er überhaupt noch lebte.
    Aruula vielleicht? Daa’tan lächelte traurig. Was hatte er sie vermisst in den vier Jahren seiner Existenz! Als er noch klein gewesen war,

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