1959 - Im Hypertakt
Er stöberte durch Bereiche, die wohl seit Jahrhunderten kein Mensch mehr betreten hatte. Zahlreiche Sektionen lagen in Schutt und Asche. Der Anblick wirkte deprimierend, und dem Physiker wurde vor Augen geführt, wieviel Arbeit noch nötig war, bis die SOL in neuem Glanz erstrahlte.
Dieses Schiff war eine vergessene, archaische Millionenstadt. Ein fliegendes Mysterium, bei weitem zu gewaltig, um seine Geheimnisse aufzuklären.
Statt des einen Tages, den er veranschlagt hatte, verschwendete Tautmo Aagenfelt zehn. Dann wurde ihm klar, dass es keinen Sinn hatte. Die Geräte, die er finden konnte, waren allesamt zu stark beschädigt. Noch bei seinem ersten Versuch hatte Aagenfelt auf Anhieb mehrere brauchbare Orter-Reste gefunden. Dass dies nun nicht mehr der Fall war, gab ihm zu denken. Hinzu kam eine weitere verstörende Tatsache: Einige der Beschädigungen wirkten frisch. Es war nicht einfach, das Alter eines Schadens abzuschätzen. Seit dem Kampf mit Shabazza waren nicht zehntausend Jahre vergangen, sondern nur einige Wochen.
Aagenfelt wusste genau, dass er sich möglicherweise täuschte. Korrosionsgefährdete Bauteile, die eine eindeutige Analyse erlaubt hätten, existierten nicht. Aber was, wenn jemand die Geräte gezielt zerstört hatte? Wer war imstande innerhalb einer kurzen Zeit eine so aufwendige Arbeit zu leisten?
Wer hatte einen Vorteil davon, wenn die SOL im Hypertakt-Flug nicht orten konnte? Tautmo Aagenfelt gab sich selbst die Antwort: niemand.
Hinter Perry Rhodan lag das, was man einen harten Tag nannte. Er hatte sich sechzehn Stunden lang bei Ruud Serven king und Reginald Bull im Triebwerksbereich aufgehalten. Der Durchbruch ließ auf sich warten, und es schien keine Möglichkeit zu geben, etwas daran zu ändern. Sämtliche positronischen Knotenrechner, die das Hypertakt-Triebwerk und die Reaktoren des SOL-Mittelstücks umgaben, waren mittlerweile instand gesetzt, die meisten mit syntronischen Chips aufgerüstet. Servenking und seine Leute hatten zahllose Arbeitsstunden investiert ohne ein Ergebnis zu erzielen.
Rhodan wusste, dass die Besatzung einen Erfolg dringend nötig hatte.
Einige technische Projekte befanden sich zwar in verschiedenen Stadien der Verwirklichung. Die meisten positronischen Knotenrechner des Schiffes waren mittlerweile mit syntronischen Mikrochips aufgerüstet und mit SENECA verschaltet. Die Kontrolle über das Schiff war nicht vollständig; doch sie hatte sich seit dem Start von Alashan stark verbessert. Drei 100-Meter-Kreuzer im oberen Ringwulst-Sektor des SOL-Mittelstücks wurden derzeit repariert und startbereit gemacht. Aber all das reichte nicht, um die Negativ-Erlebnisse mit dem Reaktor und dem Triebwerk vergessen zu machen.
Er hob den Arm, als Signal für SENECA, die Übertragung an alle besetzten Stellen des Schiffes zu beginnen. Das ZIC-System erfasste Roman Muel-Chen, der soeben unter der SERT-Haube Platz genommen hatte. Fee Kellind saß im Kommandantensessel, assistiert von Juno Cerast ehemals Dienstpilot der TLD-Chefin Gia de Moleon, und Pria Ceineede. Cerast und Ceineede galten neben Muel-Chen als die talentiertesten Piloten der SOL.
Kellind hatte sie angewiesen, ausgeruht zum Test zu erscheinen. Für den Fall, dass es zu einer Katastrophe kam, mussten sie Muel-Chens Fehler korrigieren. „Nach meinen Berechnungen", er klang SENECAS Stimme, „befindet sich die SOL im Leerraum zwischen zwei Galaxien. Es dürfte gefahrlos sein, an dieser Stelle den Flug zu unterbrechen." Fee Kellind ordnete an: „Schiff in Alarmzustand versetzen. Hypertakt-Unterbrechung bei 22.15 Uhr Bordzeit. Rücksturz in den Normalraum einleiten!" Kellind ließ zwei Minuten verstreichen. Die Bereit-Signale sämtlicher Abteilungen liefen der Reihe nach ein. Es war denkbar, dass die SOL im Augenblick des Rücksturzes auf ein Hindernis traf. Die Wahrscheinlichkeit war extrem gering, besonders im Leerraum zwischen den Galaxien, aber sie existierte. Es konnte sich um eine Irrläufersonne handeln, genauso gut um ein Asteroidenfeld oder die Kriegsflotte einer fremden Rasse.
Da der Eintritt in den Normalraum mit fünfzig Prozent Lichtgeschwindigkeit geschehen musste, wurde selbst ein Staubgürtel zu einem Hindernis von tödlicher Gefährlichkeit. „Paratrons in Bereitschaft!" kommandierte Fee Kellind. 22:14:00. „Bereit!"
„Feuerleitzentrale?"
„Gefechtsklar!" antwortete Don Kerk'radian, der das Kommando über die Transformkanonen, Impuls- und Desintegratorgeschütze übernommen hatte.
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