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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Notizbuch zu. »Man wird Ihnen ungefähr dieselben Fragen stellen. Wahrscheinlich wird man sich ein wenig stärker auf den Alkoholkonsum konzentrieren. Sie wissen schon.«
    »Hatte er einen sitzen?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Und die Bremsen?«
    Fraser zuckte mit den Schultern. »Haben versagt.«
    »Und das andere Fahrzeug?«
    »Das stand.«
    »Und stimmt es, daß es Fensterglas geladen hatte?«
    »Ja.«
    »Und eine Glasplatte ist durch die Windschutzscheibe gedonnert?«
    »Ja.«
    »Und …«
    »Ja.«
    »Also war er sofort tot?«
    »Ich denke schon, ja.«
    »Scheiße.«
    »Ja.«
    Wir waren beide blaß geworden. Ich starrte zum Foyer hinaus auf den verregneten Feierabendverkehr, die Abblend- und Bremslichter, die aufflammten und verloschen, gelb und rot, gelb und rot. Sergeant Fraser blätterte durch sein Notizbuch.
    Nach einer Weile stand er auf. »Sie wissen nicht zufällig, wo ich Kathryn Taylor erreichen kann, oder?«
    »Wenn sie nicht in der Redaktion ist, ist sie wahrscheinlich nach Flause gegangen.«
    »Bisher habe ich sie weder hier noch dort antreffen können.«
    »Ich bezweifle sowieso, daß sie irgendwas beisteuern kann. Sie war den Großteil des Abends mit mir zusammen.«
    »Das hat man mir gesagt. Aber man kann ja nie wissen.«
    Ich erwiderte darauf nichts.
    Der Sergeant setzte seine Mütze auf. »Wenn Sie mit Miss Taylor sprechen sollten, sagen Sie ihr bitte, sie soll sich mit mir in Verbindung setzen. Ich bin über das Revier in Morley jederzeit erreichbar.«
    »Okay.«
    »Vielen Dank, daß Sie sich die Zeit genommen haben, Mr. Dunford.«
    »Danke.«
    »Bis morgen.«
    »Ja.«
    Ich sah ihm nach, wie er zur Rezeption ging, etwas zu Lisa sagte, die hinter der Theke stand, und dann durch die Drehtür verschwand.
    Ich zündete mir eine Zigarette an; mein Herz raste mit 145 km/h.
     
    Die nächsten drei Stunden saß ich an meinem Schreibtisch und arbeitete.
    Es gibt keine ruhige Minute in der Redaktion einer Lokalzeitung mit Morgen- und Abendausgabe, aber heute herrschte nahezu eine Grabesstille, alle verpißten sich so früh wie möglich. Hier ein Goodbye, da ein Goodbye, und Ein paar von uns sind später im Presseclub, wenn du Lust hast.
    Kein Barry Gannon.
    Ich tippte und tippte; den ersten richtigen Fall, den ich hatte, seit mein Vater gestorben und Clare Kemplay verschwunden war. Ich mußte lange nachdenken, bis mir einfiel, wann ich das letzte Mal an diesem Schreibtisch gesessen und einfach nur gearbeitet hatte. Da war es wohl um Autodiebstähle gegangen, Kids, die mal eine Spritztour machen wollten. Aber ich konnte mich nicht erinnern, ob mein Vater da noch im Krankenhaus gewesen oder schon wieder nach Hause verlegt worden war.
    Kein Ronald Dunford.
    Gegen 18.00 Uhr brachte Kelly die Photos rauf, wir gingen siedurch und legten die besten beiseite. Kelly brachte meinen Artikel und die Bilder zur Schlußredaktion, dann zum Layout. Dabei gingen gerade mal fünfzig Wörter verloren, was an einem guten Tag Anlaß für ein großes Glas mit Kathryn im Presseclub gewesen wäre.
    Aber es war kein guter Tag.
    Keine Kathryn Taylor.
    Ich war bei der fetten Stephanie vorbeigegangen und hatte ihr gesagt, sie solle ihr loses Mundwerk zügeln, aber sie hatte gar nicht verstanden, wovon zum Teufel ich eigentlich redete, nur daß Jack Whitehead ja offenkundig recht habe, was mich anbelangte. Wir sind alle nervös, aber ich sollte mich endlich mal zusammenreißen. Jack hatte recht, was mich anbelangte, und das hatte sie immer und immer wieder gesagt, zu mir und zu jedem im Umkreis von zehn Meilen.
    Auch kein verdammter Jack Whitehead?
    Pech gehabt.
    Auf jedem Schreibtisch lag ein Exemplar der Abendausgabe.
     
    FANGT DIE BESTIE.
    Riesenschlagzeile auf der Titelseite der Evening Post.
    VON JACK WHITEHEAD,
    GERICHTSREPORTER DES JAHRES
    1968 & 1971.
    Scheiße.
    Die Obduktion der Leiche der zehnjährigen Clare Kemplay er gab: sie wurde gefoltert, vergewaltigt und dann erdrosselt. Die West Yorkshire Police machte keine genaueren Angaben zu den Verletzungen, doch Detective Chief Superintendent George Oldman, der im Verlauf des Vormittages eine Pressekonferenz einberufen hatte, nannte das ungeheure Ausmaß der zum Tode führenden Verletzungen »unfaßbar« und hielt dies für »den grauenhaftesten Fall, den ich oder sonst irgendein Angehöriger der West Yorkshire Metropolitan Force jemals erlebt hat«.
    Dr. Alan Coutts, der Pathologe des Innenministeriums, der die Obduktion durchführte, sagte: »Mir fehlen die Worte, um die

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