Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
Vom Netzwerk:
Fenster hinaus auf die braunen Felder mit den einsamen braunen Bäumen und den schmalen Streifen brauner Hecke. Wir näherten uns dem Zigeunerlager.
    Kelly schaltete das Radio an, die Bay City Rollers sangen kurz All of Me Loves All of You, bevor er wieder ausschaltete.
    Ich sah an Kelly vorbei, als die ausgebrannten Wohnwagen vorbeiflogen, und grübelte, was ich sagen sollte.
    Keiner sprach ein Wort, bis wir nach Leeds kamen und unter den Bögen in der Nähe der Post parkten.
    Kelly schaltete den Motor aus und zückte seine Brieftasche.
    »Und was hast du damit vor?«
    »Fifty-fifty?«
    »Okay«, sagte er und zählte die Zehner ab.
    Er gab mir fünf.
    »Danke«, sagte ich. »Was ist mit deinem Wagen?«
    »Hadden meinte, ich solle den Bus nehmen. Du würdest ins Büro kommen und könntest mich dann mitnehmen.«
    Scheiße, dachte ich. Das ist seine Art.
    »Warum?«
    »Ach nichts«, sagte ich. »Nur so ‘ne Frage.«
     
    »Wir erleben eine Blüte des Enthüllungsjournalismus, und Barry Gannon war einer der Männer, die uns diesen Fortschritt erst ermöglicht haben. Wo er Ungerechtigkeit sah, forderte er Gerechtigkeit ein. Wo er Lügen sah, forderte er Wahrheit ein. Barry Gannon stellte großen Männern große Fragen, weil er überzeugt war, daß die britische Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, alles zu erfahren.
    Barry Gannon hat mal gesagt, daß uns die Wahrheit nur reicher machen kann. Uns alle, die diese Wahrheit anstreben, hat Barry Gannons frühzeitiges Ableben ärmer gemacht.«
    Bill Hadden, der hinter seinem Schreibtisch klein und ausgelaugt wirkte, nahm die Brille ab und schaute auf. Ich nickte, dachte, daß Barry Gannon bei einer Menge Bier eine Menge gesagt hatte, unter anderem einen Spruch, den er in Indien aufgeschnappt hatte und bei dem es um einen Elefanten, drei Blinde und die Wahrheit ging.
    Nach einer angemessenen Kunstpause fragte ich: »Steht das in der heutigen Ausgabe?«
    »Nein. Wir warten damit bis nach der Feststellung der Todesursache.«
    »Warum?«
    »Nun, Sie wissen ja, wie das ist. Man weiß nie, was dabei rauskommt. Wie finden Sie den Nachruf?«
    »Sehr gut.«
    »Sie glauben nicht, daß er ein wenig zu panegyrisch geworden ist, oder?«
    »Absolut nicht«, antwortete ich; dabei hatte ich nicht den leisesten Schimmer, was panegyrisch überhaupt bedeutete.
    »Gut«, sagte Hadden und legte das getippte DIN-A4-Blatt beiseite. »Sie haben sich also mit Paul Kelly getroffen?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben Mrs. Sheard das Geld gegeben?«
    »Ja«, sagte ich viel zu fröhlich, fragte mich, ob die verdammte Alte wohl Hadden wegen der Polizei anrufen und über Geld reden würde.
    »Er hat die Bilder und alles ?«
    »Ja.«
    »Sind Sie mit Ihrem Artikel fertig?«
    »Fast«, log ich.
    »Was haben Sie noch?«
    »Nicht viel«, log ich erneut und dachte an Jeanette Garland, Susan Ridyard, Clare Kemplay, an brennende Zigeunerlager, Die Kanäle des Nordens, Arnold Fowler und seine flügellosen Schwäne, an Dick und Doof von der Polizei und an die letzten Worte von Barry Gannon.
    »Hm«, machte Hadden; hinter ihm lag die Stadt bereits im Dunklen.
    »Ich habe am Samstag mit den Eltern von Susan Ridyard geredet, wie wir es besprochen hatten. Die menschliche Seite der Story, wissen Sie noch?«
    »Vergessen Sie das«, unterbrach mich Hadden, stand auf und ging auf und ab. »Ich möchte, daß Sie sich auf Clare Kemplay konzentrieren.«
    »Aber ich dachte, Sie …«
    Hadden hob die Hand. »Wir brauchen erheblich mehr Hintergrundmaterial, wenn wir diese Story am Leben erhalten wollen.«
    »Aber ich dachte, Sie hätten gesagt, das sei jetzt Jacks Story?« Ich hörte mich schon wieder so weinerlich an.
    Haddens Gesicht verdüsterte sich. »Und ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, daß Sie die Geschichte zusammen machen?«
    Ich setzte nach. »Nun, bisher scheint es mit der Zusammenarbeit nicht gerade zu klappen.«
    »Hm«, machte Hadden und nahm Barrys Nachruf in die Hand. »Die Zeiten sind für uns alle nicht einfach. Sie haben sicher Ihre Gründe, aber Sie waren nicht immer zu erreichen, als wir Sie brauchten.«
    »Tut mir leid«, sagte ich und dachte, was für ein Arschloch.
    Hadden setzte sich wieder. »Wie schon gesagt, Sie haben Ihre eigenen Probleme und Schicksalsschläge, ich weiß. Der Punkt ist, Jack kümmert sich um die tägliche Berichterstattung, und Sie kümmern sich um die Hintergrundinformationen.«
    »Hintergrundinformationen ?«
    »Das können Sie doch am besten. Jack hat erst heute gesagt, was

Weitere Kostenlose Bücher