Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
Vom Netzwerk:
dich und treib ihn besser bis nächsten Sonntag wieder auf.«
    »Du nicht, du Weihnachtsmann«, sagte der Kurze und bohrte mir einen Finger in die Brust.
    Kelly machte kehrt. Ich warf ihm die Wagenschlüssel zu. Er zuckte die Schultern und lief zum Wagen, wir drei blieben an der Hintertür stehen, der Regen stürzte vom Dach des Bungalows, wir hörten Hamlet bellen und warteten darauf, daß jemand was sagte.
    Der Kurze ließ sich viel Zeit damit, sein Notizbuch einzustecken. Der Große zog die Handschuhe aus, dehnte die Finger, knackte mit den Knöcheln und zog die Handschuhe wieder an. Ich wippte auf den Fersen, Hände in den Taschen, Regen tropfte mir von der Nase.
    Nach ein paar Minuten von diesem Scheiß fragte ich: »Und was nun?«
    Der Große streckte urplötzlich beide Arme aus und drückte mich gegen die Tür. Er packte mich mit der einen Hand an der Kehle und drückte mit der anderen mein Gesicht platt gegen das Holz. Meine Füße berührten nicht mehr den Boden.
    »Hör auf, Leute zu belästigen, die nicht belästigt werden wollen«, flüsterte er mir ins Ohr.
    »Das ist nicht nett«, zischte mir der Kurze, der auf Zehenspitzen stand, ins Gesicht.
    Ich stand mit angespanntem Magen da und wartete auf denSchlag.
    Eine Hand umschloß meine Eier und streichelte sie sanft.
    »Du solltest dir ein Hobby zulegen.«
    Der Kurze drückte fester zu. »Vögel beobachten, das ist einnettes, ruhiges Hobby.«
    Ein Finger drückte durch meine Hose und schob sich mir in den Hintern.
    Ich wollte kotzen.
    »Oder photographieren.« Er ließ meine Eier los, gab mir einen Kuß auf die Wange und ging pfeifend davon, We Wish you a Merry Christmas and a Happy New Year. Hamlet fing wieder an zu bellen.
    Der Große drückte mein Gesicht noch fester gegen die Tür.
    »Und denk’ dran: ›Big Brother is watching you.‹«
    Jemand hupte.
    Er ließ mich zu Boden fallen. »Ununterbrochen.«
    Wieder hupte jemand, ich hockte keuchend auf den Knien im Regen und sah, wie mit Stahlkappen versehene Stiefel der Größe 45 den Weg hinuntergingen und in den Polizeiwagen stiegen.
    Die Reifen setzten sich in Bewegung, dann waren Stiefel Wagen verschwunden.
    Ich hörte, wie eine Tür geöffnet wurde und Hamlet laut bellte.
    Ich stand auf, rannte über die Sackgasse, rieb mir den Nacken und hielt mir die Eier.
    »Mr. Dunford! Mr. Dunford!« rief Enid Sheard.
    Kelly hatte den Motor angeworfen. Ich öffnete die Beifahrertür und sprang in den Wagen.
    »Scheiße«, sagte Kelly und trat aufs Gas.
    Ich drehte mich um, Eier und Gesicht brannten noch immer und ich sah Enid Sheard, die uns den ganzen Willman Close hinterherkreischte.
    »Hör auf, Leute zu belästigen, die nicht belästigt werden wollen.«
    Kelly richtete seinen Blick auf die Straße. »Gar kein so schlechter Rat, ehrlich gesagt.«
    »Was meinst du damit?« fragte ich, obwohl ich wußte, was er meinte.
    »Ich hab gestern abend mit Paula gesprochen. Es ging ihr ziemlich schlecht, weißt du?«
    »Ich weiß. Es tut mir leid«, sagte ich, sah zu dem Wagen vor uns und fragte mich, warum Kelly bis jetzt damit gewartet hatte.
    »Du hättest mich erst fragen können.«
    »Ich wußte nichts davon. Es war Barrys Idee, nicht meine.«
    »Sag das nicht, Eddie. Das ist nicht recht.«
    »Nein, wirklich. Ich hatte keine Ahnung, daß ihr verwandt seid. Ich …«
    »Du tust nur deinen Job, ich weiß. Aber ehrlich gesagt, weißt du, keiner von uns hat das bis jetzt richtig verkraftet. Und dann das andere Mädchen, da kommt einfach alles wieder hoch.«
    »Ich weiß.«
    »Und jetzt noch all der Mist mit Johnny. Es hört einfach nie auf.«
    »Ihr habt nichts von ihm gehört?«
    »Keinen Mucks.«
    »Tut mir leid, Paul«, sagte ich.
    »Sicher, alle denken, es geht um irgendeine Frau oder er ist mal wieder ausgeflippt, aber ich weiß nicht. Ich hoffe es jedenfalls.«
    »Aber du glaubst es nicht?«
    »Johnny hat sich das alles sehr zu Herzen genommen, weißt du, das mit Paula und Geoff. Er liebt Kinder. Ich mein’, er ist selbst noch ein gottverdammtes Kind. Er hing richtig an Jeanie.«
    »Tut mir leid.«
    »Ich weiß. Ich wollte erst nichts sagen, aber …«
    Ich wollte nichts davon hören. »Wo, glaubst du, ist er?«
    Kelly sah mich an. »Wenn ich das wüßte, dann würd’ ich dich nicht wie bescheuert durch die Gegend kutschieren, als war’ ich dein beknackter Chauffeur, oder?« Er versuchte zu lächeln, aber es wollte nicht recht gelingen.
    »Tut mir leid«, sagte ich zum tausendsten Mal.
    Ich starrte zum

Weitere Kostenlose Bücher