Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
Vom Netzwerk:
letzte Nacht war es dasselbe.«
    Mrs. White stellte die Vase mit den frischen Blumen auf den Nachttisch. »Ich bin fertig. Wenn Sie etwas brauchen, ich bin im Wintergarten. Bis später«, lächelte sie, zwinkerte mir zu und schloß die Tür.
    Das Zimmer war plötzlich unerträglich voll von Radio 2.
    Und unerträglich heiß.
    Mein Vater war verschwunden.
    Ich ging zum Fenster. Der Riegel war übermalt worden. Ich fuhr mit den Fingern über die Farbe.
    »Abgeschlossen.«
    Ich drehte mich um. Mrs. Dawson saß aufrecht im Bett.
    »Ich verstehe«, sagte ich.
    Ich stand am Fenster, unter den Klamotten schweißgebadet.
    Mrs. Dawson griff zum Nachttisch und stellte das Radio ab.
    »Wer sind Sie?«
    »Edward Dunford.«
    »Und warum sind Sie hier, Mr. Edward Dunford?«
    »Ich bin Reporter.«
    »Also haben Sie die liebe Mrs. White angelogen?«
    »Berufskrankheit.«
    »Woher wußten Sie, daß ich hier bin?«
    »Ich habe einen anonymen Tip erhalten.«
    »Da sollte ich mich wohl geschmeichelt fühlen, Gegenstand eines anonymen Tips zu sein«, sagte Mrs. Dawson und strich sich ihre Haare hinter die Ohren. »Das klingt so glamourös, finden Sie nicht?«
    »Wie bei einem Rennpferd«, sagte ich und dachte an AF.
    Mrs. Marjorie Dawson lächelte und sagte: »Und warum interessieren Sie sich für einen alten Klepper wie mich, Mr. Edward Dunford?«
    »Mein Kollege Barry Gannon hat Sie letzten Sonntag aufgesucht. Erinnern Sie sich noch?«
    »Ich erinnere mich.«
    »Sie haben gesagt, sein Leben sei in Gefahr.«
    »Habe ich das? Ich sage so viel.« Mrs. Dawson beugte sich vor und schnupperte an den Blumen, die ich ihr mitgebracht hatte.
    »Er ist Sonntag nacht ermordet worden.«
    Mrs. Dawson sah von den Blumen auf; ihre Augen waren feucht.
    »Und Sie sind hergekommen, um mir das zu erzählen?«
    »Haben Sie nichts davon gewußt?«
    »Wer weiß schon, was ich heutzutage wissen soll?«
    Ich sah hinaus über das Grundstück zu den kahlen Bäumen, deren Schatten in der Sonne verkümmerten.
    »Warum haben Sie ihm gesagt, sein Leben sei in Gefahr?«
    »Er stellte rücksichtslose Fragen nach rücksichtslosen Männern.«
    »Was für Fragen? Nach Ihrem Mann?«
    Mrs. Dawson lächelte traurig: »Mr. Dunford, mein Mann mag manches sein, aber rücksichtslos ist er nicht.«
    »Worüber haben Sie sich dann unterhalten?«
    »Über gemeinsame Bekannte, Architektur, Sport, all so was.« Eine Träne glitt ihr über die Wange zum Hals.
    »Sport?«
    »Rugby League, können Sie sich das vorstellen?«
    »Was denn?«
    »Nun, ich bin kein Fan davon, also war die Unterhaltung recht einseitig.«
    »Donald Foster ist ein Fan, oder?«
    »Wirklich? Ich dachte, seine Frau.« Eine zweite Träne.
    »Seine Frau?«
    »Also wirklich, Mr. Dunford, geht das schon wieder los. Solches Gerede fordert Opfer.«
    Ich ging wieder zum Fenster.
    Ein blauweißer Streifenwagen kam die Schotterzufahrt herauf.
    »Scheiße.«
    Fraser?
    Ich sah auf die Uhr meines Vaters.
    Es waren gerade erst 40 Minuten seit meinem Anruf vergangen.
    Nicht Fraser?
    Ich ging zur Tür.
    »Wollen Sie schon gehen?«
    »Ich fürchte, die Polizei ist da. Sie werden wohl mit Ihnen über Barry Gannon reden wollen.«
    »Nicht schon wieder«, seufzte Mrs. Dawson.
    »Schon wieder? Was meinen Sie mit schon wieder?«
    Man hörte Rufe, dann trampelten Stiefel die Treppe herauf.
    »Ich denke, Sie sollten jetzt gehen«, sagte Mrs. Dawson.
    Die Tür flog auf.
    »Tja, das finde ich auch«, sagte der erste Polizist durch die offene Tür.
    Der mit dem Bart.
    Nicht Fraser.
    Scheiß auf Fraser.
    »Ich dachte, wir hätten dir klargemacht, keine Leute zu belästigen, die nicht belästigt werden wollen«, sagte der Kleine.
    Sie waren nur zu zweit, aber ich hatte das Gefühl, als sei das ganze Zimmer voller Männer in schwarzen Uniformen mit eisenbeschlagenen Stiefeln und Knüppeln in den Händen.
    Der Kurze kam auf mich zu.
    »Und jetzt wird dir der Bulle den Kopf abreißen.«
    Ein Tritt gegen den Knöchel brachte mich auf die Knie.
    Ich kroch über den Teppich, meine Augen brannten, feucht vor siedendheißen Tränen, und ich versuchte aufzustehen.
    Ein paar weiße Nylonstrümpfe kamen auf mich zu.
    »Sie Lügner«, zischte Mrs. White.
    Ein paar große Füße führten sie weg.
    »Du bist tot«, flüsterte der Bärtige, packte mich bei den Haaren und schleifte mich aus dem Zimmer.
    Meine Kopfhaut brannte wie Feuer; ich sah zum Bett zurück.
    Mrs. Dawson seitlich mit dem Rücken zur Tür, das Radio laut aufgedreht.
    Die Tür zu.
    Das

Weitere Kostenlose Bücher