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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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ich.
    »Die Katzen haben sich auch an ihr ausgetobt. Die reinste Horrorshow.«
    »Verdammt.«
    »Ihr Ex-Boß hat Sie verpfiffen«, sagte Fraser und klappte sein Notizbuch zu.
    »Und die Polizei glaubt, ich bin’s gewesen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Sie sind Reporter.«
    »Und?«
    »Und deshalb glauben wir, daß Sie wissen, wer es war.«
    »Warum ich?«
    »Weil Sie einer der letzten Menschen gewesen sein dürften, der sie noch lebend gesehen hat, deshalb.«
    »Verdammt.«
    »Hat sie was über ihren Mann gesagt?«
    »Sie hat gar nichts gesagt.«
    Sergeant Fraser klappte sein Notizbuch erneut auf. »Nachbarn haben uns berichtet, daß Miss Wymer Dienstag abend einen Streit hatte. Ihrem ehemaligen Arbeitgeber zufolge muß das entweder kurz vor oder kurz nach Ihrem Besuch dort gewesen sein.«
    »Davon weiß ich nichts.«
    Sergeant Fraser sah mir in die Augen und klappte sein Notizbuch wieder zu.
    »Ich glaube, Sie lügen«, sagte er.
    »Warum sollte ich?«
    »Keine Ahnung, Berufskrankheit vielleicht?«
    Ich drehte mich um und sah über die tote braune Hecke hinweg auf das tote braune Feld mit dem toten braunen Baum hinaus.
    »Was hat sie denn über Clare Kemplay gesagt?« fragte Fraser leise.
    »Nicht viel.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Glauben Sie, daß es eine Verbindung gibt?«
    »Offensichtlich.«
    »Aber welche?« fragte ich, die trockenen Mundwinkel schmerzten, und mein feuchtes Herz pochte.
    »Ja, was glauben Sie denn? Sie hat an den Fällen gearbeitet.«
    »Noble und seine Meute behaupten das Gegenteil.«
    »Na und? Wissen wir doch alle, daß sie dran war.«
    »Und?«
    »Und dann wären da immer noch Sie.«
    »Ich? Was soll mit mir sein?«
    »Sie sind das fehlende Verbindungsstück.«
    »Und deshalb hängt das alles irgendwie zusammen?«
    »Sagen Sie es mir.«
    »Sie hätten Reporter werden sollen«, sagte ich.
    »Sie auch«, zischte mich Fraser an.
    »Alles Blödsinn«, sagte ich und startete den Motor.
    »Alles hängt zusammen«, erwiderte Sergeant Fraser.
    Ich sah zweimal in den Rückspiegel und fuhr los.
    An der Kreuzung der B6134 und der A655 fragte Fraser: »Um Mitternacht?«
    Ich nickte und hielt neben dem Maxi auf dem Vorplatz der leeren Tankstelle.
    »Kommen Sie nach Morley«, sagte Fraser und nahm die Tüte, als er ausstieg.
    »Okay. Warum nicht?«
    Ich hatte nur noch eine Karte auszuspielen, sah in den Rückspiegel und fuhr davon.
     
    City Heights, Leeds.
    Unter einem weißen Himmel, der bei drohendem Regen und ausbleibendem Schnee immer grauer wurde, schloß ich den Wagen ab und dachte, daß es im Sommer hier eigentlich ganz in Ordnung sein könnte.
    Saubere Hochhäuser aus den Sechzigern: abblätternder Anstrich in Gelb und Hellblau, rostansetzende Geländer.
    Ich ging die Treppe zum vierten Stock hinauf, ein Ball knallte gegen eine Wand, Kindergeschrei im Wind, und ich dachte an die Beatles und ihre Plattenhüllen, an Sauberkeit, an Göttlichkeit, an Kinder.
    Im vierten Stock kam ich über den offenen Hausflur vorbei an zugedampften Küchenfenstern und leise spielenden Radios, bis ich vor der gelben Tür mit der Nummer 405 stand.
    Ich klopfte an das Appartement 405, City Heights, Leeds, und wartete.
    Nach einer Weile drückte ich auf die Klingel.
    Nichts.
    Ich beugte mich vor und hob den Metalldeckel des Briefkastens.
    Die Wärme trieb mir Tränen in die Augen; ich konnte ein Pferderennen im Fernsehen hören.
    »Entschuldigung!« brüllte ich in den Briefschlitz.
    Das Rennen wurde abgebrochen.
    »Entschuldigung!«
    Auge wieder am Briefschlitz; ich sah ein paar weiße Frotteesocken, die auf mich zukamen.
    »Ich weiß, daß Sie da drin sind«, sagte ich und richtete mich wieder auf.
    »Was wollen Sie?« fragte eine Männerstimme.
    »Mich unterhalten.«
    »Worüber?«
    Ich spielte meine letzte Karte aus und sagte: »Über Ihre Schwester.«
    Ein Schlüssel drehte sich, die gelbe Tür ging auf.
    »Was ist mit ihr?« fragte Johnny Kelly.
    Ich reckte meine bandagierte rechte Hand hoch und sagte:
    »Klick, ein Photo.«
    Johnny Kelly in Blue jeans und Pullover, mit gebrochenem Handgelenk und zerschundenem irischem Gesicht, fragte wieder:
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie sollten sich bei ihr melden. Sie macht sich Sorgen.«
    »Und wer zum Teufel sind Sie?«
    »Edward Dunford.«
    »Kenn ich Sie?«
    »Nein.«
    »Woher wissen Sie, daß ich hier bin?«
    Ich zog die Weihnachtskarte aus der Tasche und hielt sie ihm hin. »Fröhliche Weihnachten.«
    »Miststück«, meinte Kelly, nahm die Karte und starrte die

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