Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
Vom Netzwerk:
beiden Dymostreifen an.
    »Darf ich reinkommen?«
    Johnny Kelly ging in die Wohnung, ich folgte durch den kleinen Flur, vorbei an einem Bad und dem Schlafzimmer bis ins Wohnzimmer.
    Kelly setzte sich in einen vinylbezogenen Sessel und hielt sich das Handgelenk.
    Ich setzte mich auf das dazu passende Sofa neben einen Fernseher voller Pferde, die stumm über Hindernisse sprangen, und kehrte so einem weiteren Winternachmittag in Leeds den Rücken.
    Über dem gasbetriebenen Kamin lächelte eine Polynesierin mit einer Blume im Haar, und ich dachte an braunhaarige Zigeunermädchen und an Rosen, dort, wo Rosen niemals hätten sein dürfen.
    Unter den Pferden erschienen die Halbzeitergebnisse: Leeds verlor in Newcastle.
    »Paula geht es doch gut, oder?«
    »Was denken Sie?« fragte ich zurück und schaute die aufgeschlagene Zeitung an, die auf dem resopalbeschichteten Beistelltisch lag.
    Johnny Kelly beugte sich vor und starrte auf die Schlagzeilen.
    »Sie sind von der beschissenen Zeitung, oder?«
    »Ich kenne Paul.«
    »Und Sie haben diesen Mist geschrieben, stimmt’s?« fragte Kelly und lehnte sich zurück.
    »Habe ich nicht.«
    »Aber Sie sind doch von der scheiß Post, oder?«
    »Jetzt nicht mehr, nein.«
    »Verdammt«, meinte Kelly und schüttelte den Kopf.
    »Hören Sie, ich werde nichts verraten.«
    »Na klar«, sagte Kelly und grinste.
    »Erzählen Sie mir nur, was passiert ist, und ich verspreche, ich sage kein Wort.«
    Johnny Kelly stand auf. »Sie sind ein scheiß Reporter.«
    »Nicht mehr.«
    »Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte er.
    »Na gut, sagen wir mal, ich bin einer. Ich könnte doch sowieso jeden Mist schreiben.«
    »Das macht ihr doch auch.«
    »Na, dann können Sie ja auch mit mir reden.«
    Johnny Kelly stand hinter mir und sah durch das Panoramafenster hinaus auf die riesige alte Stadt.
    »Wenn Sie kein Reporter mehr sind, warum sind Sie dann hier?«
    »Ich bin hier, um Ihrer Schwester zu helfen.«
    Johnny Kelly hatte sich wieder in den Sessel gesetzt, rieb sich das Handgelenk und lächelte. »Nicht noch einer.«
    Das Zimmer wurde dunkler, der Gaskamin immer heller.
    »Wie ist das passiert?« fragte ich.
    »Autounfall.«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich«, sagte Kelly.
    »Sie sind gefahren?«
    »Nein, sie.«
    »Wer?«
    »Wer glauben Sie denn?«
    »Mrs. Patricia Foster?«
    »Volltreffer.«
    »Was ist passiert?«
    »Wir sind ausgegangen und waren gerade auf dem Rückweg …«
    »Wann?«
    »Letzte Woche, Freitag nacht.«
    »Reden Sie weiter«, sagte ich und dachte an Stifte und Papier, Kassetten und Bänder.
    »Wir hatten auf der Rückfahrt ‘ne Pause gemacht und was getrunken, und sie meinte, besser, sie fährt das letzte Stück, weil ich mehr getrunken hatte als sie. Na, jedenfalls kommen wir die Dewsbury Road runter, und, ich weiß nicht, wir blödeln rum, und ehe wir uns versehen, latscht irgend so ein Kerl auf die Straße, und bang, wir fahren ihn an.«
    »Wo?«
    »Beine, Brust, keine Ahnung.«
    »Nein, nein. Wo an der Dewsbury Road?«
    »Wenn man nach Wakefield reinkommt, in der Nähe vom Gefängnis.«
    »In der Nähe der neuen Häuser, die Foster baut?«
    »Ja. Glaube ich jedenfalls«, sagte Johnny Kelly und lächelte.
    Ich dachte, alles ist miteinander verknüpft, dachte, so etwas wie Zufall gibt es nicht, es gibt einen Plan, also gibt es einen Gott, ich schluckte und sagte: »Wissen Sie, daß Clare Kemplay dort in der Nähe gefunden wurde?«
    »Ehrlich?«
    »Ja.«
    Kelly starrte in die Ferne. »Das wußte ich nicht.«
    »Und was war dann?«
    »Wir haben ihn nur ganz kurz gestreift, es war unheimlich glatt, sie verlor die Kontrolle über den Wagen, und die Kiste drehte sich.«
    Ich saß da in meinem Polyesteranzug auf dem Vinylbezug, starrte in dieser Wohnung aus Beton den Resopaltisch an und dachte an Gummi und Metall, Leder und Glas.
    Das Blut.
    »Wir müssen wohl gegen den Bordstein und dann gegen einen Laternenpfahl gestoßen sein oder so.«
    »Und der Mann, den Sie angefahren haben?«
    »Keine Ahnung. Wie gesagt, ich glaube, wir haben ihn nur kurz berührt.«
    »Haben Sie nachgeschaut?« fragte ich und bot ihm eine Zigarette an.
    »Ich bin doch nicht blöd«, entgegnete er und gab sich Feuer.
    »Und dann?«
    »Ich hab’ ihr beim Aussteigen geholfen, aber sie war in Ordnung. Sie hatte sich ein wenig den Hals verrenkt, aber nichts gebrochen. Schleudertrauma. Wir stiegen wieder ein, und ich fuhr sie nach Hause.«
    »Das Auto war heil?«
    »Nein, aber man konnte noch fahren.«
    »Was hat Foster

Weitere Kostenlose Bücher