1975 - Sonnenecho
Zunge aufgeregt schnalzen.
„Ist das dein letztes Wort, Jedro-Dwede?"
„Ich flehe dich an, gib uns eine Chance, daß wir überleben können. Bringe uns weg aus dem Sonnentresor ..."
Norgo ro Yong löste einen Alarm aus, der die Wachen herbeirief.
„Führt diesen Ketzer sofort ab!" befahl er ihnen. „Er soll öffentlich hingerichtet werden, so daß auch seine Artgenossen sehen können, was mit jenen passiert, die nicht stark im Glauben bleiben."
Er sah Jedro-Dwede in die vor Angst und Entsetzen starren Echsenaugen und erklärte mit feierlicher Stimme: „Ich verurteile dich hiermit zum Tode durch das Würgeeisen. Deine sterbliche Hülle wird Gaintanu geopfert und der Sonne Skoghal übergeben."
*
Tuyula Azyk spürte Vincent Garrons Nähe ganz deutlich, und sie war überzeugt, daß auch er ihre Anwesenheit merken maßte. Der Mutant lebte, das war im Moment das wichtigste.
Sie konzentrierte sich mit aller Kraft ihrer Gedanken auf ihn, aber es war ihr unmöglich, eine stärkere Verbindung herzustellen. Sie öffnete ihren Geist, rief nach Vincent. Er maßte sie hören. Er maßte erkennen, wie nahe sie ihm war. Aber es kam kein Kontaktimpuls .
Sie bekam ihn einfach nicht zu fassen. Vincent war gegenwärtig, daran bestand keinerlei Zweifel. Doch es war, als würde ihm die Kraft dazu fehlen, eine Brücke zu ihr zu schlagen.
„Ihr müßt euch beeilen!" drängte Tuyula. „Vincents Kräfte schwinden. Er kann sich nicht mehr aus eigener Kraft retten. Er braucht so etwas wie einen Rettungsring - sonst wird er vergehen."
Tuyula hatte niemand Bestimmten angesprochen. Aber Ronald Tekener hörte sie, und er handelte.
„Eigentlich dachte ich, du könntest für Garron der rettende Strohhalm sein, Tuyula", sagte Tekener.
„Das funktioniert so nicht", widersprach das Bluesmädchen. „Vince braucht zusätzliche Unterstützung."
„Wie auch immer", sagte Tekener. „Begib dich aufs offene Hangardeck, Tuyula! Myles will dich dort haben."
Während sie sich auf den Weg machte, hörte sie Ronald Tekener weitere Befehle geben. Der Name Arnulf Rohmer fiel, ebenso wie der Begriff „Avatara". Tuyula wußte, was das zu bedeuten hatte, und ihr war ein wenig bange bei diesem Gedanken. Aber letztlich zählte nur, daß Vincent gerettet wurde.
Der große, offene Hangar, der PYXIS war fast leer. Es stand nur ein hufeisenförmiges Schaltpult mit vier Kontursesseln darin. Sie waren von Myles Kantor und drei weiteren Personen besetzt, einer menschlichen Frau und zwei Männern.
Entlang dem transparenten Schirmfeld, das den Hangar vakuumdicht verschloß, standen fünf weitere Kontursessel mit Blickrichtung ins All. Sie waren leer. Wie auf einem Sonnendeck, dachte Tuyula. Oder wie um die grandiose Aussicht zu genießen.
Der häßliche Hyperraum-Resonator befand sich jenseits des Schutzschirmes, am Ende der vollends ausgefahrenen Teleskopschienen. Er schwenkte nun nicht mehr hin und her, sondern sein Zylinder war starr auf einen Punkt der Oberfläche von Skoghal gerichtet. Auf einen Punkt, der irgendwo über der Sonnenoberfläche lag, berichtigte sich Tuyula. Und zwar jenseits der vierten Dimension, im Hyperraum.
Als Myles Kantor Tuyula sah, erhob er sich und kam zu ihr.
„Was ich vorhabe, ist eine Premiere ohne Erfolgsgarantie", erklärte er ihr. „Aber wie es aussieht, ist es die letzte Chance, Vincent zu helfen. Wenn alles zusammenpaßt, könnte es klappen. Du kannst deinen Teil dazu beitragen, indem du deine Affinität zu Vincent einsetzt."
Myles Kantor sprach ruhig, und obwohl er sichtlich unter Druck stand, zeigte er keine Hektik.
Arnulf Rohmer traf mit den beiden Avataras und einem handlichen Werkzeugkoffer ein. Nummer drei, der blonde Typ, besaß statt seiner Augen mechanische Sehhilfen, die teleskopartig aus seinen Augenhöhlen ragten. Er hatte seine Augen Oliver Dermont gespendet.
Tuyula hatte Ollie auf der Krankenstation besucht. Er war wohlauf und konnte wieder ganz normal sehen, auch wenn er noch unter dem Eindruck seines Unfalls stand. Er wollte nicht darüber reden, und Tuyula war das ganz recht, denn sie schämte sich ein wenig, weil sie sich in einer ersten Schreckreaktion mißbilligend darüber geäußert hatte, daß der Avatara seine Augen spenden sollte; sie hatte damals nur Vincents Schicksal im Sinne gehabt.
Aber es war in Ordnung. Sie war froh, daß Ollie auf diese Weise geholfen worden war.
Myles Kantor sagte zu Arnulf Rohmer: „Ich weiß nicht, was du für Möglichkeiten hast, die Avataras
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