1976 - Das Jesus-Papier
Donattis. Ein Mann, den man fürchten muß.
Im Augenblick ist er dabei, mühevoll jede Einzelheit ausfindig, zu machen, die er in bezug auf jenen Güterzug aus Saloniki vor dreiunddreißig Jahren ausfindig machen kann. Seine Reisen haben ihn von dem Güterbahnhof in Edhessa durch den Balkan über Monfalcone hinaus in die nördlichen Alpenregionen geführt. Er ist auf der Suche nach allen, die den Sohn von Fontini-Cristi kannten. Wie ein Besessener. Auch er hängt dem Kodex des Donatti an. Es gibt kein Gesetz Gottes oder der Menschen, das seine >Reise für Christus< behindert, wie er sie nennt. Er ist auch nicht bereit, irgend jemandem das Ziel seiner Reise zu offenbaren. Aber ich weiß es, und jetzt wissen Sie es auch. Ich werde bald von diesem Leben Abschied nehmen.
Gaetamo wohnt in einer kleinen Jagdhütte in den Bergen von Varese. Ich bin sicher, daß Ihnen die Nähe zu Campo di Fiori nicht entgeht.
Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann; alles, was ich weiß. Ich bin sicher, daß er versuchen wird, Sie zu erreichen. Daß Sie gewarnt seien und sicher in Gottes Hand ruhen mögen, ist mein innigstes Gebet.
In Sorge und persönlicher Pein wegen meiner Vergangenheit verbleibe ich
Guido Aldobrini
Über dem Meer war das Hallen des Donners zu hören. Fontine wünschte, die Symbolik wäre nicht so offenkundig und einfach. Die Wolken waren jetzt über ihnen; die Sonne war untergegangen, und der Regen setzte ein. Er war trotzdem dankbar für die Ablenkung, die das Gewitter bot. Er blickte zu Jane hinüber. Sie starrte ihn an; irgendwie hatte er ihr seine tiefe Besorgnis vermittelt.
»Geh hinein«, sagte er leise. »Ich komme in ein paar Minuten nach.«
»Der Brief?«
»Natürlich«, beantwortete er ihre Frage. Er schob die Blätter in den Umschlag zurück und reichte ihn ihr. »Lies ihn.«
»Du wirst naß werden. Der Regen wird kräftiger werden.«
»Das ist erfrischend. Du weißt, daß ich Regen mag.« Er blickte lächelnd zu ihr auf. »Dann kannst du mir helfen, mein Korsett zu wechseln, während wir darüber sprechen.«
Sie stand einen Augenblick über ihm, und er spürte, wie ihre Augen auf ihm ruhten. Aber wie immer, wenn er das wünschte, würde sie ihn allein lassen.
Seine Gedanken kühlten ihn ab, nicht der Regen. Der Brief von Aldobrini war nicht das erste Zeichen, daß Saloniki sich wieder gezeigt hatte. Er hatte Jane nichts gesagt, weil es nichts Konkretes gab, nur eine Folge beunruhigender, scheinbar minimaler Ereignisse.
Vor drei Monaten war er in Harkness gewesen, um sich dort eine Woche lang chirurgisch behandeln zu lassen. Einige Tage nach der Operation hatte er einen Besucher gehabt, dessen Auftauchen ihn erschreckte. Ein Monsignore aus der Erzdiözese New York. Er hieß Land, hatte er gesagt. Er war nach vielen in Rom verbrachten Jahren in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt und wollte Victor wegen Informationen aufsuchen, auf die er in den vatikanischen Archiven gestoßen sei.
Der Priester gab sich sehr besorgt. Was Fontine auffiel, war, daß der Mann sehr gut über seinen Zustand informiert war, viel besser, als das ein beiläufiger Besucher hätte sein können.
Es war eine sehr seltsame halbe Stunde. Der Priester interessierte sich für Geschichte, hatte er gesagt. Er war auch auf Archivdokumente gestoßen, die höchst beunruhigende Fragen zwischen dem Haus Fontini-Cristi und dem Vatikan heraufbeschworen. Historische Fragen, die zu dem Bruch zwischen den Padroni des Nordens und dem Heiligen Stuhl führten. Ob Victor, sobald er wieder gesund war, vielleicht mit ihm ein Gespräch über die Vergangenheit führen wollte? Die historische Vergangenheit. Beim Abschied hatte er direkte Hinweise auf das Geschehen in Campo di Fiori gegeben. Man dürfe den Schmerz und das Leid, das ein verirrter Priester ihm zugefügt hatte, nicht der Kirche zur Last legen, hatte er gesagt.
Etwa fünf Wochen später hatte es einen zweiten Zwischenfall gegeben. Victor war in seinem Büro in Washington gewesen und hatte sich darauf vorbereitet, vor einem Kongreßausschuß aufzutreten, der sich mit den Vergünstigungen amerikanischer Reeder befaßte, die unter der Flagge Paraguays fuhren. Seine Sprechanlage hatte gesummt.
»Mr. Fontine, Mr. Theodore Dakakos ist hier. Er sagt, er möchte Ihnen gern seine Aufwartung machen.«
Dakakos war einer der jungen griechischen Reedereigiganten, ein respektloser Rivale von Onassis und Niarchos, und viel beliebter. Fontine bat seine Sekretärin, ihn hereinzuführen.
Dakakos
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