1976 - Das Jesus-Papier
in das Cafe an den Tisch.
»Was ist?« Barbara war beunruhigt.
»Ruf deinen Auftragsdienst in Boston an. Sag ihnen, sie sollen Dakakos anrufen und sagen, wir hätten einander verpaßt. Ich hätte nach - zum Teufel, nach Chicago fliegen müssen. Das sei die Nachricht, die man dir im Hotel übergeben hätte.«
»Du willst ihn wirklich nicht sehen, wie?«
»Ich muß ihm ausweichen. Ich möchte ihn von der Spur abbringen. Wahrscheinlich hat er versucht, meinen Bruder zu erreichen.«
Der Fußweg im Rock Creek Park. Es war Martin Greenes Idee gewesen, seine Wahl. Greene hatte am Telefon seltsam geklungen, irgendwie trotzig. So als hätte er mit allem abgeschlossen. Aber was auch immer es war, das an Greene nagte, es würde verschwunden sein, sobald er ihm die Geschichte erzählt hatte. Und ob es das würde. In einem Nachmittag hatte das Eye Corps einen gigantischen Schritt getan. Weit über alles hinaus, das sie sich hätten träumen lassen. Wenn die Dinge, die sein Vater über jene Kassette gesagt hatte - die Anstrengungen, die mächtige Männer, die ganze Regierungen unternommen hatten, um sie in ihren Besitz zu bringen -, wenn all das nur zur Hälfte wahr war, dann war das Eye Corps durch nichts mehr aufzuhalten! Unschlagbar!
Sein Vater hatte gesagt, er würde eine Liste vorbereiten. Nun, das brauchte sein Vater nicht; eine solche Liste gab es. Die sieben Männer des Eye Corps würden jene Kassette unter Kontrolle halten, und er würde die sieben Männer des Eye Corps kontrollieren.
Das war unglaublich! Aber die Ereignisse logen nicht; sein Vater log nicht. Wer auch immer jene Dokumente besaß, jenes Pergament aus einem vergessenen römischen Gefängnis, hatte den Hebel, um außergewöhnliche Forderungen zu stellen und durchzusetzen. Überall! Eine Lücke in der überlieferten Geschichte, etwas, das man der Welt aus unglaublicher Angst vorenthalten hatte. Man konnte nicht zulassen, daß dieses Wissen jetzt bekanntgemacht wurde. Nun, auch Furcht war ein Instrument. Eines, das ebenso wirksam wie der Tod war. Häufig sogar wirksamer.
Verliert nie aus den Augen, daß der Inhalt jener Kassette für die zivilisierte Welt so erschütternd wie nichts anderes in der ganzen Geschichte ist...
Die Entscheidungen außergewöhnlicher Männer - im Frieden sowohl wie im Krieg - unterstützten die Beurteilung seines Vaters. Und jetzt würden andere außergewöhnliche Männer unter der Führung eines außergewöhnlichen Mannes jene Kassette finden und mithelfen, das letzte Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts zu formen. Man mußte anfangen, so zu denken, in großen Dimensionen denken, in Konzepten, die über die der gewöhnlichen Menschen hinausgingen. Seine Ausbildung, sein Erbe: alles begann Form und Gestalt anzunehmen, und er war für das Gewicht der ungeheuren Verantwortung bereit. Er war darauf vorbereitet. Eine Kassette, die in den italienischen Alpen vergraben war, würde dafür sorgen, daß diese Verantwortung die seine wurde.
Man würde Adrian bewegungsunfähig machen müssen. Nicht ernsthaft; sein Bruder war schwach, unschlüssig, eigentlich überhaupt kein Gegner. Es würde ausreichen, ihn zu behindern. Er würde einfach die Räume seines Bruders besuchen und eben nur das tun.
Andrew ging den Fußweg im Rock Creek Park hinunter. Es gab nur sehr wenige Spaziergänger. Der Park war nicht der Ort für nächtliche Spaziergänge. Wo war Greene? Er hätte da sein müssen. Seine Wohnung lag viel näher als der Flughafen. Und Greene hatte ihm gesagt, er solle sich beeilen.
Andrew trat auf den Rasen hinaus und zündete sich eine Zigarette an. Es hatte keinen Sinn, im Lichtkegel der Parklampen stehen zu bleiben. Er würde Greene schon sehen, wenn er den Weg herunterkam.
»Fontine!«
Der Soldat fuhr erschreckt herum. Zwanzig Meter von ihm entfernt stand Martin Greene vor einem Baum. Er trug Zivil, hielt eine große Aktentasche in der linken Hand.
»Marty? Was, zum Teufel...«
»Kommen Sie her«, befahl der Captain fast schroff.
Andrew ging schnell auf die Bäume zu. »Was ist denn passiert?«
»Es ist schon passiert, Fontine. Die ganze verdammte Geschichte. Seit gestern früh versuche ich, Sie zu erreichen.«
»Ich war in New York. Wovon sprechen Sie?«
»Fünf Männer sind in Saigon im Gefängnis unter strengster Bewachung. Wollen Sie raten, wer?«
»Was? Die Vorladung ist doch gar nicht ausgehändigt worden. Sie haben das bestätigt. Ich habe es bestätigt!«
»Niemand hat eine Vorladung gebraucht. Der Inspector
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