1976 - Das Jesus-Papier
leicht«, sagte sie einfach.
»Hast du einmal von etwas gehört, das sich die Filioque-Klausel nennt?«
»Sicher. Das war auf dem Konzil von Nicaea. An diesem Thema hat sich die römische und die östliche Kirche entzweit. Die Auseinandersetzung dauerte Hunderte von Jahren und führte zu dem Schisma des Photius im - im neunten Jahrhundert. Glaube ich. Was wiederum zum Schisma von 1054 führte. Am Ende wurde die päpstliche Unfehlbarkeit daraus.«
»Woher, zum Teufel, weißt du das?«
Barbara lachte. »Das ist mein Fachgebiet. Hast du das vergessen? Wenigstens die verhaltenswissenschaftlichen Aspekte.«
»Du sagtest neuntes Jahrhundert. Mein Vater hat gesagt fünfzehnhundert Jahre -«
»Die frühchristliche Geschichte ist verwirrend, macht einen mit ihren vielen Daten verrückt. Vom ersten bis zum siebten Jahrhundert gab es so viele Konzilien, so viel Hin- und Herschaukeln, so viele Debatten über diese Doktrin und jenes Gesetz, daß es fast unmöglich ist, alles auseinanderzusortieren. Betreffen diese Dokumente die Filioque-Klausel? Sollen es etwa die Verwerfungen sein?«
Adrian stockte die Hand, mit der er das Glas zum Mund führte. »Ja. Das hat mein Vater gesagt, den Terminus hat er verwendet, die Filioque-Verwerfungen.«
»Die existieren nicht.«
»Was?«
»Sie sind vernichtet worden - ich glaube sogar unter großem Zeremoniell - in Istanbul in der Hagia-Sophia-Moschee zu Anfang des Zweiten Weltkriegs. Es gibt darüber Dokumente -Augenzeugenberichte, wenn ich mich richtig erinnere. Sogar verkohlte Fragmente, die durch spektralanalytische Untersuchungen bestätigt sind.«
Adrian starrte sie an. Irgend etwas stimmte hier nicht, alles war viel zu einfach. Zu negativ einfach. »Woher hast du diese Information?«
»Woher? Du meinst genau?«
»Ja.«
Barbara beugte sich vor und bewegte gedankenversunken ihr Glas. Ihre Stirn hatte sich gerunzelt. »Das ist nicht mein Fachgebiet, aber ich kann es natürlich herausfinden. Das reicht einige Jahre zurück. Ich erinnere mich genau, daß es für viele Leute ein ziemlicher Schock war.«
»Tu mir einen Gefallen«, sagte er schnell. »Wenn du zurück bist, sieh zu, daß du alles, was du kannst, über diese Verbrennung herausfindest. Das gibt keinen Sinn. Mein Vater hätte es gewußt.«
»Ich weiß nicht, warum. Das ist doch alles nur schrecklich akademisch.«
»Trotzdem gibt es keinen Sinn...«
»Weil wir gerade von Boston sprechen«, unterbrach sie. »Mein Auftragsdienst hat zwei Anrufe von jemandem, der mit dir in Verbindung treten möchte. Ein Mann namens Dakakos.«
»Dakakos?«
»Ja. Ein gewisser Theodore Dakakos. Er sagte, es sei sehr wichtig.« »Was hast du gesagt?«
»Daß ich es dir ausrichten werde. Ich habe mir die Nummer aufgeschrieben. Eigentlich wollte ich sie dir nicht geben. Du brauchst keine hysterischen Telefonanrufe aus Washington. Du hast ein paar schreckliche Tage durchgemacht.«
»Er ist nicht aus Washington.«
»Aber die Telefonanrufe kamen von dort.«
Adrian blickte vom Tisch auf, über die Miniaturhecken in ihren Holzkästen, die das Cafe vom Bürgersteig abgrenzten. Er sah, was er suchte: eine Telefonzelle.
»Ich bin gleich wieder da.«
Er trat in die Zelle und rief die District Towers in Washington an.
»Empfang, bitte.«
»Ja, Mr. Fontine. Wir haben einige Anrufe von einem Mr. Dakakos entgegengenommen. Im Augenblick ist ein Mitarbeiter von Mr. Dakakos in der Lobby und erwartet Sie.«
Adrian überlegte schnell. Die Worte seines Vaters kamen ihm ins Gedächtnis. Er hatte seinen Vater gefragt, ob er Dakakos vertrauen könne. Wenn es um Saloniki geht, vertraue ich niemandem...
»Hören Sie. Sagen Sie dem Mann in der Lobby, Sie hätten gerade von mir gehört. Ich würde einige Tage nicht zurückkommen. Ich will diesen Dakakos nicht sehen.«
»Selbstverständlich, Mr. Fontine.«
Adrian legte auf. Sein Paß war in Washington. In seinem Zimmer. Er würde das Gebäude durch die Garage betreten. Aber nicht an diesem Abend; das war zu früh. Er würde bis morgen warten. Er würde diese Nacht in New York bleiben. Sein Vater mußte über Dakakos informiert werden. Er rief das Haus in North Shore an.
Janes Stimme klang überanstrengt. »Der Arzt ist jetzt bei ihm. Gott sei Dank hat er ihnen erlaubt, ihm etwas zu geben. Ich glaube es nicht, daß er es sonst viel länger ertragen hätte. Er hatte Krämpfe...«
»Ich rufe dich heute abend an.«
Adrian verließ die Telefonzelle und bahnte sich zwischen den Passanten seinen Weg zurück
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