1976 - Das Jesus-Papier
fühlen und sah die Schwellung an seinem Handgelenk. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Er öffnete ein großes Lederetui. Sein Paß war verschwunden, ebenso sein internationaler Führerschein und sein Scheckbuch von der Banque Genève mit den Codeziffern und seiner Fotografie auf dem Umschlag.
Adrian drehte sich um und ging schweigend durch das Zimmer. Er ließ das Lederetui auf das Bett fallen und ging zum Fenster weiter. Draußen prasselte strömender Regen gegen die Fensterscheiben.
Sein Bruder hatte ihn aufgehalten. Andrew hatte mit der Suche nach der Kassette begonnen, hatte ihn zurückgelassen, wollte keine Unterstützung, hatte sie nie gewollt. Die Kassette von Konstantin war Andrews letzte Waffe. In seinen Händen eine tödliche Waffe.
Die ganze Ironie lag darin, überlegte Adrian, daß der Offizier hinter ihm helfen konnte. Er konnte bürokratische Hindernisse beseitigen, sofort Transportmittel beschaffen, aber er durfte dem Offizier nichts über den Zug aus Saloniki sagen.
Es gibt Leute, die die Hälfte der Arsenale auf dieser Welt gegen die Information eintauschen würden. Die Worte seines Vaters.
Er sagte mit leiser Stimme: »Da haben Sie Ihren Beweis, Colonel.«
»Ja, das denke ich auch.«
Adrian drehte sich herum und sah den Offizier an. »Sagen Sie mir, als ein Bruder zum anderen, wie sind Sie auf das Eye Corps gekommen?«
Der Colonel steckte die Waffe weg. »Ein Mann namens Dakakos.«
»Dakakos?«
»Ja, er ist Grieche. Kennen Sie ihn?«
»Nein.«
»Zuerst kamen die Beweise recht langsam. Unmittelbar in meine Abteilung, an mich adressiert. Als Barstow schließlich zerbrach und in Saigon seine Erklärung abgab, kam Dakakos wieder. Er benachrichtigte meinen Bruder, forderte ihn auf, sich um Barstow zu kümmern. Das Eye Corps war auf beiden Seiten geschützt, hier und drüben...«
»Durch zwei Brüder, die bloß einen Telefonhörer abzuheben brauchten, um zusammenzuhalten«, unterbrach ihn Adrian. »Ohne bürokratische Störungen.«
»So hatten wir es uns auch zusammengereimt. Wir wissen nicht, weshalb, aber dieser Dakakos hatte es auf das Eye Corps abgesehen.«
»Das hatte er allerdings«, pflichtete Adrian ihm bei und staunte über Dakakos' klares Vorgehen.
»Gestern kam alles herein. Dakakos hatte Fontine nach Phan Thiet verfolgen lassen, zu einem Lagerhaus. Wir haben jetzt die Aufzeichnungen des Eye Corps, die Beweise...«
Das Telefon klingelte, unterbrach den Soldaten. Adrian hörte es kaum, so vollkommen hatte er sich auf die Worte Tarkingtons konzentriert.
Es klingelte erneut.
»Darf ich?« fragte Adrian.
»Und ob Sie dürfen.« Tarkingtons Augen wurden wieder eisig. »Ich werde neben Ihnen stehen.«
Es war Barbara, sie rief aus Boston an. »Ich bin im Archiv. Ich habe die Information über diesen Kirchenbrand damals, einundvierzig, bei dem die Filioque... «
»Augenblick.« Adrian drehte sich halb zu dem Offizier herum, nur das Telefon war zwischen ihnen. Er fragte sich, ob er es fertigbringen würde, daß seine Stimme natürlich klang. »Sie können im Nebenzimmer mithören, wenn Sie wollen. Das sind nur ein paar Recherchen, um die ich gebeten hatte.«
Es funktionierte. Tarkington zuckte die Schultern und ging ans Fenster.
»Weiter«, sagte Adrian in die Sprechmuschel.
Barbara sprach wie eine Expertin, sie las von einem Bericht ab, dessen Form ihr vertraut war. Ihre Stimme hob sich jedesmal, wenn sie zu wichtigen Punkten kam. »Am 9. Januar 1941 war eine Versammlung der Kirchenältesten, das war um elf Uhr abends in der Hagia Sophia in Istanbul, eine Erlösungszeremonie. Nach den Zeugenaussagen sollten im Laufe der Zeremonie heilige Gegenstände dem Himmel anvertraut werden. Schlampige Arbeit, das ist alles nur als Erzählung wiedergegeben. Eigentlich sollten direkte Zitate und wörtliche Übersetzungen dastehen. Jedenfalls im weiteren Verlauf wird die Tatsache bestätigt, und dann folgt eine Liste der Laboratorien in Istanbul und Athen, wo Aschefragmente überprüft und das Alter und das Material bestätigt wurden. Das war's, mein ungläubiger Thomas.«
»Was ist mit diesen Zeugen? Die Darstellung?«
»Ich bin zu kritisch. Ich könnte noch kritischer sein. Der Bericht sollte genaue Daten, Plattennummern und dergleichen enthalten, aber das ist alles akademische Pedanterie. Worauf es ankommt, ist, daß das Ganze ein Archivsiegel trägt. Das kann man nicht kaufen, damit kann man auch keine Spielchen treiben. Es bedeutet, daß jemand, an dem kein Zweifel ist, selbst
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