1976 - Das Jesus-Papier
ersten Teil des Terrains hatten sie in der Nacht hinter sich gebracht.
Die ersten Wege jener Reise in die Berge, die fünfzig Jahre zurücklag, konnte er sich sparen. Wenn andere die Suche begannen, würden sie das nicht wissen. Er wußte es. Er verstand sich darauf, Karten zu lesen, so wie die meisten Menschen einfache Bücher lasen. Aus Symbolen, Farben und Ziffern konnte er sich ein Terrain mit der Genauigkeit einer Kamera vorstellen. Es gab keinen in der Army, der besser war als er. Er war ein Meister von allem Greifbaren, von Männern über Maschinen bis zu Landkarten.
Die detaillierte Karte, die von den Alpinisten in Champoluc benutzt wurde, zeigte, wie die Eisenbahn von Aosta aus sich im Osten um die Bergflanke herumschob. Vor der Station Champoluc verliefen die Gleise etwa fünf Kilometer gerade. Die Gebiete westlich der letzten ebenen Stellen im Bahnkörper wurden das ganze Jahr über häufig begangen. Dies waren die ersten Wege, die in Goldonis Journal beschrieben waren. Niemand, der etwas Wertvolles zu verbergen hatte, würde sie auch nur im geringsten in Betracht ziehen.
Aber weiter im Norden, dort, wo die Ostkurve des Gleiskörpers begann, lagen die alten Lichtungen, die zu zahlreichen Pfaden führten, die eindeutig in den Seiten aufgelistet waren, die er aus dem Goldoni-Journal für den 14. und 15. Juli 1920 herausgerissen hatte. Jeder dieser Pfade konnte der sein, den er suchte. Sobald er sie bei Tageslicht sah und die Möglichkeiten studieren konnte, konnte er auch entscheiden, welchen Pfad er weiterverfolgen würde.
Seine Auswahl würde auf Fakten beruhen. Faktum eins: die Größe und das Gewicht der Kassette erforderte den Transport mit Fahrzeugen oder Tieren. Faktum zwei: der Zug aus Saloniki war im Monat Dezember gefahren - einer Jahreszeit, in der das Wetter bitterkalt war und die Bergpässe unter tiefem Schnee lagen. Faktum drei: die Schneeschmelze im Frühling und Sommer mit ihren wilden Gießbächen und der daraus resultierenden Erosion würde ein Versteck weit oben erfordern, eines, das von schützendem Felsgestein umgeben war. Faktum vier: jenes Versteck würde abseits von häufig begangenen Gebieten liegen, hoch über einer etablierten Route, aber mit einem Nebenweg, den ein Tier oder ein Fahrzeug bewältigen konnte. Faktum fünf: der Weg mußte von einem Gleisabschnitt ausgehen, wo ein Zug anhalten konnte, der Boden zu beiden Seiten der Gleise mußte also gerade und flach sein. Faktum sechs: die Lichtung, auf die es ankam, ob sie nun im Augenblick gebraucht wurde oder verlassen war, würde zu sich kreuzenden Wegen führen, die im Goldoni-Journal aufgezeichnet waren. Indem er jeden dieser Wege bis zu den Gleisen zurückverfolgte und sich dabei überlegte, wie gut er zu befahren oder von einem Tragtier zu begehen war - in Eis und Schnee -, würde er die Zahl der Pfade weiter einschränken, bis es nur noch einen gab, der zum Versteck führte.
Er hatte Zeit. Tage, wenn er sie brauchte. Er hatte Vorräte für eine Woche, die er im Rucksack trug. Der Krüppel Goldoni, die Frau, Capomonti und Lefrac und seine Familie waren zu verängstigt, um etwas zu unternehmen. Er hatte sich brillant abgesichert. Das Unsichtbare war immer wirksamer als das im Kampf Sichtbare. Er hatte dem erschreckten Mann gesagt, daß er Helfer in Champoluc hatte. Sie würden aufpassen, würden ihn in den Bergen verständigen, wenn ein Goldoni oder ein Capomonti oder Lefrac zur Polizei gehen sollte. Für einen Soldaten war es nicht schwer, solche Nachrichten zu empfangen. Und sobald er sie empfangen hatte, würde dies zur Exekution seiner Geiseln führen.
In seiner Fantasie hatte er sich die Gegenwart des Eye Corps vorgestellt. Das Eye Corps, so wie es gewesen war - effizient, stark, schnell agierend.
Eines Tages würde er ein neues Corps aufbauen, stärker, effizienter und ohne Schwäche. Er würde die Kassette aus Saloniki finden, die Dokumente aus den Bergen tragen, die heiligen Männer zu sich rufen und ihre Gesichter betrachten, während er ihnen den bevorstehenden weltweiten Zusammenbruch ihrer Institutionen schilderte.
...Der Inhalt jener Kassette ist für die zivilisierte Welt so erschütternd wie nichts anderes in der ganzen Geschichte...
Das war beruhigend. Die Kassette konnte in keine besseren Hände gelangen.
Sie befanden sich jetzt auf der ebenen Strecke, und das Terrain stieg höchstens einen Kilometer von ihnen entfernt im Westen an. Das Mädchen fiel auf die Knie, schluchzte. Ihr Bruder sah ihn an,
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