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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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holte die Pistole heraus und gab zwei Schüsse ab. Die Explosionen donnerten durch den Wald. Die Kugeln rissen zu beiden Seiten des Kindes den Boden auf. Ihr gellender Schrei übertönte fast die Explosion. Ihr Bruder stürzte sich mit tränenüberströmtem Gesicht auf ihn. Andrew machte einen Schritt zur Seite und schmetterte dem Jungen den Pistolenkolben gegen die Schläfe.
    Lefracs Sohn fiel zu Boden. Sein Schluchzen, in das sich Zorn und Angst mischten, erfüllten das Schweigen der verlassenen Lichtung.
    »Du bist besser, als ich gedacht hätte«, sagte der Soldat kühl, hob dann den Blick und wandte sich zu dem Mädchen um. »Hilf ihm. Er ist nicht verletzt. Wir kehren um.«
    Man muß den Gefangenen Hoffnung geben, überlegte der Soldat. Je jünger und je unerfahrener sie waren, desto mehr Hoffnung sollte man ihnen geben. Das verringerte die Furcht, die in sich ihr schnelles Vorwärtskommen behinderte. Auch die Furcht war ein Instrument. Wie der Tod. Es galt, sie methodisch einzusetzen.
    Zum zweitenmal ging er den Weg von den Schienen. Er war jetzt sicher. Es gab nichts, das ein Tier oder ein Fahrzeug daran hindern konnte, diesen Weg zurückzulegen. Der Boden war größtenteils hart und überall zugänglich. Und was noch wichtiger war, das Terrain stieg direkt den östlichen Hängen entgegen, führte zu den Pfaden, die er in den verblaßten Seiten des Journals gefunden hatte. Mit jedem Meter, den er zurücklegte, sagte der Soldat in ihm, daß er sich der feindlichen Zone näherte, denn das war sie.
    Sie erreichten den ersten Weg, der den ihren schnitt, und der von dem Führer am Morgen des 14. Juli 1920 beschrieben worden war.
    Der Weg führte nach rechts hinunter in eine Art Wald, eine dicke Wand aus dunklem Grün mit einem weißen Dach darüber. Er schien undurchdringlich.
    Das war ein mögliches Versteck. Jener Bergwald würde für den unerfahrenen Kletterer keine Versuchung darstellen und für den erfahrenen uninteressant sein. Andererseits war es ein Wald - Bäume und Erde, keine Felsen -, und weil es kein Felsen war, konnte er ihn nicht akzeptieren. Die Kassette würde von Felsen geschützt sein.
    Zur Linken setzte sich der Weg nach oben fort, bog schräg an der Flanke eines kleinen Berges über ihnen ab. Der Weg selbst war breit, aus massivem Felsgestein und von Blattwerk gesäumt. Rechts türmten sich Felsbrocken auf und bildeten eine Mauer. Aber da war immer noch genügend Platz für ein Fahrzeug; die direkte Linie von den Gleisen war ununterbrochen.
    »Bißchen schneller!« schrie er und gestikulierte nach links. Die Lefrac-Kinder sahen einander an. Zur Rechten war der Weg nach Champoluc - der Weg zurück. Das Mädchen packte den Arm ihres Bruders. Fontine trat vor, löste brutal ihren Griff und stieß das Mädchen nach vorn.
    »Signore!« schrie der Junge und trat zwischen sie, die Arme von sich gestreckt, die offenen Handflächen vor sich - ein sehr leicht zu durchdringendes Schild. »Tun - tun Sie das nicht«, stammelte er mit leiser Stimme, die vor jugendlicher Angst brach, doch sein eigener Zorn forderte ihn selbst heraus.
    »Gehen wir«, sagte der Soldat. Er hatte keine Zeit, um sie an Kinder zu vergeuden.
    »Sie haben mich gehört, Signore!«
    »Ich habe dich gehört. Und jetzt weiter.«
    An der Westflanke des kleinen Berges wurde der Weg plötzlich schmaler. Er führte in einen riesigen natürlichen Bogen, den früher einmal ein Gletscher aus dem Gestein herausgespült haben mochte, und führte zu einem Hügel aus nacktem Felsgestein. Der geologisch geformte Bogen war nicht nur die logische Fortsetzung des Weges, sondern der Berg dahinter mußte für Anfänger in der Kunst des Kletterns geradezu unwiderstehlich gewesen sein. Man konnte ihn ohne große Mühe ersteigen, aber er war doch nach Breite und Höhe hinreichend eindrucksvoll, um ein guter Anfang für die höheren Regionen zu sein. Perfekt für einen begeisterten Siebzehnjährigen unter den wachsamen Blicken eines Bergführers und eines Vaters.
    Aber unter dem Bogen verengte sich der Weg, und der Felsboden war zu glatt, besonders wenn Schnee lag. Ein Tier -ein Maultier oder ein Pferd - würde es vielleicht schaffen, aber die Gefahr, daß seine Hufe ausglitten, war groß.
    Und ein Fahrzeug würde hier unmöglich durchkommen.
    Andrew drehte sich um und studierte den Weg, den sie gekommen waren. Es gab keine anderen Pfade, aber vielleicht dreißig Meter hinter ihnen, auf der linken Seite, war der Boden eben und mit Latschen bestanden. Das

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