198 - In der Spiegelwelt
fragte ich.
»Holger und Larry schlafen noch.«
»Wo ist Boram?«
»Auf der Terrasse. Ich habe schon mit ihm gesprochen. Cayooda tauchte nicht auf. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder traurig sein soll.«
»Kommt darauf an, was Cayooda getan hat.«
»Vielleicht war er mit dem Ausbrüten des Geleges beschäftigt.«
»Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich wüßte, wo sich das Nest befindet«, sagte ich gepreßt.
Eine halbe Stunde später frühstückten wir mit Holger und Larry, die -trotz aller Aufregungen - eine ruhige Nacht verbracht hatten.
»Was geschieht nun?« wollte Holger Altmann nach dem Frühstück wissen. »Wie finden wir Cayooda?«
Eine Sekunde nach diesem »Stich-Wort« stellte sich heraus, daß nicht wir Cayooda, sondern der Höllen-Adler uns gefunden hatte. Er kam wie ein abstürzender Starfighter - völlig überraschend. Mit ungeheurer Wucht durchstieß er die breite Glasfront, durch die man einen ungehinderten Blick auf Terrasse und Garten hatte.
Die Scherben flogen klirrend durch den Raum. Wir schnellten hoch. Jeder Versuchte für sich allein, Cayooda zu kriegen. Das aggressive Bellen von Schüssen erfüllte den Raum. Auch Holger und Larry beteiligten sich an der Schießerei. Ich war hinter einen wuchtigen antiken Schrank gesprungen und hatte meinen Diamondback aus dem Leder gerissen.
Noel Bannister lag hinter einem breiten Sofa auf dem handgeknüpften Perserteppich. Holger Altmann und Larry Burnett hatten unter dem Tisch, dessen Platte zehn Zentimeter dick war, Schutz gesucht. Sie streckten ihre Kanonen ungefähr in Cayoodas Richtung und drückten ab, ohne zu zielen.
Der Horror-Adler wütete schrecklich in dem teuer möblierten Raum. Er zertrümmerte kostbare Vasen und Spiegel, hieb den dicken Tisch mit seinem gewaltigen Schnabel entzwei, zerfetzte mit seinen langen, scharfen Krallen die Sofakissen, Vitrinen gingen zu Bruch, der Schrank, der mir Deckung bot, brach krachend auseinander.
Obwohl wir buchstäblich aus allen Knopflöchern schossen, schafften wir es nicht, Cayooda so schwer zu verletzten, daß er sein vandalistisches Toben beenden mußte. Im Gegenteil! Die Wunden, die wir ihm zufügten, schienen ihn nur noch stärker und wütender zu machen. Der Schaden, den Cayooda innerhalb kürzester Zeit anrichtete, war enorm und würde den amerikanischen Steuerzahler viel Geld kosten, denn dafür würde die CIA aufkommen müssen.
Doch das war im Augenblick nicht wichtig.
Schwarzes Blut tropfte aus dem Gefieder des Höllen-Adlers. Holger und Larry schrien kurz hintereinander grell auf. Meine Kopfhaut spannte sich, als ich rotes Blut an Cayoodas Schnabel sah!
Die Grufties waren verletzt!
Ich riß mein Hemd auf, um den Dämonendiskus gegen Cayooda einzusetzen, doch ehe ich die Scheibe von der Kette loshaken konnte, zog sich der Adler so unvermittelt zurück, wie er gekommen war.
Der Wechsel von Lärm zu Stille ging so abrupt vor sich, wie ich es noch nie erlebt hatte. Einige Sekundenbruchteile lang war überhaupt nichts zu hören.
Dann vernahm ich das schmerzliche Stöhnen und Ächzen der Grufties und eilte zu ihnen. Holgers und Larrys Kleidung war zerfetzt.
Holger blutete aus einer tiefen Fleischwunde an der linken Schulter. Sie sah aus, als wäre sie ihm mit einem großen, scharfen Messer zugefügt worden. Tatsächlich aber stammte sie von einer Adlerkralle.
Larry war schlechter dran. Er blutete aus einer großen Wunde am Oberschenkel, die wir sofort abbanden. Nachdem wir ihm einen provisorischen Druckverband angelegt hatten, versuchte Noel einen Krankenwagen zu rufen, doch das Telefon war kaputt.
Noel stolperte über das Trümmerfeld, das Cayooda hinterlassen hatte. Er begab sich in die Garage, in der der CIA-Schlitten stand.
Zwanzig Minuten später traf die Ambulanz ein.
Nachdem die Grufties abtransportiert worden waren, war die Stille im Haus noch bedrückender. Noel blickte sich um und schüttelte den Kopf. »Sieh dir das an, Tony.«
»Cayooda hat etwas gegen einen gepflegten Wohnstil«, gab ich sarkastisch zurück.
»Geweihtes Silber ist zu schwach. Es reicht nicht aus, Cayooda fertigzumachen. Und auch Boram war uns nicht gerade eine große Hilfe. Sieht so aus, als ob ihm klargeworden wäre, dem Adler nicht gewachsen zu sein, und deshalb ließ er lieber die Finger von ihm.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte ich überzeugt. »Boram hat noch nie gekniffen. Auf ihn kann man sich immer verlassen.«
Noel drehte sich um und suchte den Nessel-Vampir. »Wo
Weitere Kostenlose Bücher