Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
198 - Sohn und Dämon

198 - Sohn und Dämon

Titel: 198 - Sohn und Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
lassen!«
    Erschrocken blieb Ulros stehen. Mit weit aufgerissenem Mund und großen Augen blickte er zu Gauko’on hinauf.
    Leichtfüßig wie ein Knabe sprang der Erste Diener des Uluru die schmale Felstreppe herunter. »Versager!« Vier Stufen über Ulros blieb er stehen. »Dafür wirst du büßen!« Gauko’on streckte die Rechte aus und deutete auf den Jüngeren.
    Ulros begriff, dass der Finder selbst mit ihm sprach. »Bitte nicht, HERR!« Er wich an die Schachtwand zurück. »Wir mussten fürchten, dass sie sich selbst tötet…« Der greise Schamane fixierte ihn mit brennendem Blick, der Erste Wächter des Uluru drückte sich an die Schachtwand, als wollte er darin versinken. »Mir blieb keine Wahl, ich musste sie aus der Grotte holen und zum Heiler schaffen lassen… und dann…«
    Er schrie auf und wand sich plötzlich wie unter Schmerzen.
    Stöhnend ging er in die Knie und barg das Gesicht in den Unterarmen. Unverwandt deutete Gauko’on auf ihn und fixierte ihn mit bösem Blick.
    »Und dann…« Stammelnd versuchte Ulros weiter zu sprechen. »Und dann kam ein junger Krieger… der Heiler hat ihn gesehen… Einen Gedankenmeister und vier Wächter hat er getötet… Er hatte… er hatte seine… seine Aura getarnt, er muss… er muss die Frau geraubt haben…«
    Ulros fiel zur Seite, rollte drei oder vier Stufen hinunter und krümmte sich, als hätte ihn jemand in den Unterleib getreten.
    Aschfahl war er, flehend stierte er zu seinem Peiniger.
    Gauko’on aber hörte nicht auf, ihn zu fixieren und auf ihn zu deuten.
    »Töte mich nicht, o HERR…« Ulros stöhnte. Blut sickerte ihm aus Nase und Ohren, er zitterte am ganzen Körper. »Bitte nicht…«
    Gauko’on ließ den Arm sinken und wand dem Gequälten den Rücken zu. »Steh auf!«
    Ulros stemmte sich auf seine Knie und versuchte sein Zittern unter Kontrolle zu bringen. An der Schachtwand entlang tastete er sich nach oben, bis er wieder auf den Beinen stand. Ängstlich sah er zu dem weißhaarigen Schamanen. Der stand sieben oder acht Stufen über ihm, blickte den Treppenschacht hinauf und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Geh hinunter und wähle zehn unserer besten Krieger aus«, sagte Gauko’on mit heiserer Stimme. »Klettert auf ein Mammutshiip und nehmt die Verfolgung auf.«
    »Ja, HERR, ja…« Rückwärts entfernte Ulros sich.
    »Bringt sie mir beide, und bringt sie lebend!«
    »Ja, HERR…« Ulros rannte los.
    »Bringst du sie mir, hast du dein Leben gerettet!«, brüllte Gauko’on, ohne sich umzudrehen. »Entkommen sie, bist du verloren! Und mit dir alle, die sie bewacht haben!«
    Eine Zeitlang lauschte der uralte Schamane noch den hastigen Schritten des Ersten Wächters hinterher. Nach und nach verhallten sie in den Tiefen des Treppenschachts. Der Erste Diener des Uluru stieg wieder hinauf auf den Tafelfelsen.
    Schwer atmend ließ er sich wenig später an der Feuerstelle bei seinen Gefährten nieder. »Victorius hat sich geirrt, als er allein aus dem Outback zurückkam«, sprach der Finder aus ihm. »Der Bastard lebt und hat sich seine Mutter geholt.«
    ***
    »Mein Sohn ist höchstens fünf Jahre alt.« Kaum konnte Aruula ihren Blick losreißen von dem Jungen am Seeufer. Irgendetwas wollte sie dazu bewegen, aufzuspringen, zu dem Jungen zu laufen und ihn zu umarmen. Doch ihr Verstand siegte. »Dieser da ist mindestens zwölf.«
    »Glaube mir, Aruula von den Dreizehn Inseln – dieser da ist unser Sohn«, raunte GRÜNs Stimme in ihrem Geist.
    Sie fuhr herum. »Was redest du denn!« Eine Zornesfalte grub sich zwischen ihre dunklen Brauenbögen ein. »Maddrax ist der Vater meines Sohnes!«
    »Wir sind es beide.« Die Blütendolde seines Schädels schwoll und streckte sich zugleich. An den Seiten hatte sie inzwischen eine tiefblaue Färbung angenommen. Eine Reihe wabenartiger Blütenblätter in der unteren Hälfte waren noch rötlich-violett, sodass Aruula glaubte, ein Mund bewege sich in dem Blütengesicht. »Dieser da hat eine Mutter und zwei Väter.« GRÜN streckte einen seiner schlingpflanzenähnlichen Arme aus und deutete an Aruula vorbei auf den Jungen am Seeufer.
    »Aber… wie soll das möglich sein?«, begehrte sie auf.
    Er lachte. »Gewiss, die Befruchtung selbst geht auf den Menschen zurück. Doch erinnere dich: Zu dieser Zeit waren wir eins! Ich hatte keine andere Wahl, aus dem ewigen Eis zu entkommen, als mich mit einem mobilen, warmen, lebenden Körper zu verbinden und dich gewissermaßen als Transportmittel zu

Weitere Kostenlose Bücher