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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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nicht getan. Er hatte viele Frauen gekannt, doch meistens waren es nur flüchtige Liebschaften gewesen. Zweimal hatte die Verbindung länger gedauert. Die südländischen Frauen waren in der Mehrzahl gewesen, und oft hatte er ihre Fähigkeit zur Leidenschaft überschätzt. Jetzt spürte er, deutlicher als je zuvor, die starke erotische Ausstrahlung der blonden, hellhäutigen Hanseatin. Vielleicht lag es daran, daß alles ein wenig zurückgenommen war. Augen, die die Glut nicht verrieten, sie hielten sie versteckt unter dem Schleier einer sanften Melancholie. Lippen, deren Kuß er sich bislang nicht vorgestellt hatte, weil sie zu beherrscht waren und wohl auch, weil sie nun mal dem Bruder zugehörten. Die Haut! Nicht prallbraun und aufgeladen von südlicher Sonne, nein, hell und zart. Und das Haar, nicht mit Lackschwarz lockend, sondern von eher beschwichtigendem Blond. Alles also nicht spontan und peripher verführend, sondern tiefer. Und Entdeckung verheißend.
Für einen Moment stellte er sich vor, wie schön es sein müsse, wenn diese Bastion vornehmer Beherrschung einmal bräche, doch sofort quälte ihn sein Gewissen, und er rief sich zur Ordnung, winkte dem Ober, unterschrieb die Rechnung und sagte, als sie wieder allein waren:
»Ich glaube, den Kaffee nehmen wir woanders. In Sa Penya. Das ist das Hafenviertel. Da gibt es viele kleine Lokale.«
Sie verließen das EL CASTILLO, gingen langsam hinunter, über Treppen und Wege aus Kopfsteinpflaster, das die Jahrhunderte blank gescheuert hatten, so daß es glänzte wie nach einem Regen. Er hatte Christianes Arm genommen, und obwohl es seine Absicht gewesen war, ihr auf den steilen, unwegsamen Stufen zu helfen, war doch sofort auch wieder das andere da, das Bewußtsein der physischen Annäherung, bei ihm wie bei ihr, das Tasten und Halten, das Überschreitungen erlaubte, ohne sie schon als solche deutlich zu machen, denn stellenweise glich der Abstieg wirklich einem akrobatischen Klettern, und in manchen Winkeln fehlte das Licht. Auch unten, im ebenen Teil der Stadt, ließen sie sich nicht los, und wiederum war bei beiden beides im Spiel, das Bemühen, sich im Menschengewühl nicht zu verlieren, und der Wunsch, den anderen zu spüren.
Sie gingen durch das pittoreske Sa-Penya Viertel, kamen nur langsam voran, schoben und wurden geschoben. Das Völkergemisch, das sie schon während der Fahrt durchs Zentrum gesehen hatten, hier war es noch einmal verstärkt aufgeboten. In den engen, sauber gefliesten Straßen ging es zu wie auf einem großen Basar. Volle Läden, Straßenlokale, Boutiquen. Und vor den schmalbrüstigen Häusern die Verkaufsstände. Neger, die Ebenholzschnitzereien anboten, Hippies mit selbstgearbeitetem Schmuck, strickende Frauen und neben ihnen, auf den Tischen ausgebreitet, die fertige Ware, Jacken, Kleider, Pullover, Mützen. Andere Tische mit Industrieartikeln. Souvenirs, Souvenirs. Immer wieder wechselnd das Gediegene und der Ramsch. Zu allem Musik und manches auch für die Nase, der Duft von Gegrilltem und Gebackenem und dann und wann der süßliche Geruch, nicht mehr eindeutig definierbar, Weihrauch, Myrrhe oder Marihuana. Und die bunten, karnevalesken Kleider! Manchmal auch, bei schöngewachsenen Mädchen, das Nicht-Kleid. Shorts, aufs absolute Minimum reduziert, oben nichts als ein offener Bolero oder auch nur eine Schärpe, quergewunden, einmal sogar diagonal, ein blondes schlankes Mädchen, das schwedisch auf den sie begleitenden Wikinger einredete, eine nordische Penthesilea.
Sie traten in eine Taverne ein, aber nur Christiane bekam einen Platz, eine Hockerhälfte am Tresen. Zum Glück war es eine zierliche Japanerin, mit der sie sich in das nur tellergroße Rund zu teilen hatte. Klaus blieb im Hintergrund, wurde schließlich von ein paar amerikanischen Matrosen noch weiter abgedrängt, so daß sein Campari erst durch mehrere hilfreiche Hände ging, bevor er zu ihm gelangte. An einen gemütlichen Kaffee war nicht zu denken. Darum verließen sie das Lokal schnell wieder, und draußen sagte Klaus:
»Es ist zwar sehr lustig und lehrreich hier, aber unseren Kaffee sollten wir wohl doch in einer anderen Gegend trinken. Ich habe vorhin, als wir durch die Stadt fuhren, an der großen Plaza ein paar Cafes gesehen, gehen wir dorthin!«
Und so schleusten sie sich wieder heraus aus der turbulenten Fülle, kamen jenseits der Calle Conde Rosillón in ruhigere Straßen, gerieten auf den Doppeltrakt der Plaza Vara de Rey und fanden eine halbwegs ruhige Ecke

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