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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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lassen. Bei Verschollenen ist es ähnlich wie bei Verstorbenen. Sie hinterlassen Unerledigtes. Es ergeben sich Nachlaßprobleme und andere ungelöste Rechtsfragen, persönliche und berufliche. Wir könnten es sogar dramatisch machen, etwas erfinden, was mit seiner Zeitung zusammenhängt. Er könnte zum Beispiel irgendwo ganz seltene Aufnahmen von den Galapágos-Inseln hinterlegt haben, und die Zeitung möchte wissen, wo. Oder. Er hat eine verwickelte Finanzierungsgeschichte laufen, bei der ab ersten Juli die Familie zur Kasse gebeten wird, drastisch, vielleicht sogar existenzbedrohend. Irgend so etwas.«
Klaus nickte. »Wie gut, daß du da bist! Das ist ja gleich eine ganze Serie brauchbarer Ideen! Komm, wir bummeln noch ein bißchen durch die Stadt und entwickeln dabei unsere Strategie, und morgen rücken wir dem Dueño des EL CASTILLO auf den Leib, Herrn Guillermo Hentschel.«
Es war schon nach Mitternacht, als sie ins Hotel zurückkehrten. Sie hatten sich aus dem Café MONTESOL eine Flasche Wein mitgebracht, weißen Rioja, und tranken in Klaus’ Zimmer noch ein Glas davon, rauchten eine letzte Zigarette. Kurz vor eins stand Christiane auf. »Es war ein langer Tag«, sagte sie, »dazu das andere Klima und die vielen neuen Eindrücke. Ich bin so müde, daß ich sogar auf einem Lager aus Disteln einschlafen würde. Gute Nacht, mein lieber Schwager, Freund, Reisegefährte …«
»Ist diese schöne Reihe schon zu Ende?«
Sie lächelte. »Ich werde morgen darüber nachdenken. Vielleicht fallen mir noch ein paar andere Titel ein, die zu deinem Steckbrief passen. Seeräuber zum Beispiel oder Weltenbummler oder vielleicht auch Mohrenkopf, du bist ganz unverschämt braun.«
»Morgen halte ich dich in die Sonne, damit der Kontrast nicht mehr so groß ist. Aber vorher öle ich dich ein. Schlaf gut.« Er küßte ihr die Wange.
»Du auch«, sagte sie. Dann ging sie aus dem Zimmer, drückte die Tür hinter sich zu.

IX.
    Klaus Hemmerich erging es anders als seiner Schwägerin. Er war noch hellwach, und so legte er sich nach dem Duschen nicht schlafen, sondern setzte sich, nur mit dem Bademantel bekleidet, ans offene Fenster, sah hinunter auf die glitzernde Lichterstadt, spürte den warmen Wind vom Meer und auch den Blütenduft.
    Er geriet ins Träumen, malte sich aus, er sei tatsächlich für ein paar erquickliche Tage und Nächte auf diese südliche Insel gereist, sein Hotel mit den Jahrhunderte alten Mauern und den rustikalen Räumen diene ihm als romantische Kulisse und die schlafende Schöne im Zimmer nebenan sei dazu bestimmt, in behutsamer Annäherung von ihm erobert zu werden. Und dann trieb er das betörende Spiel noch weiter und begann, von einer Nacht zu träumen, in der er an der Tür lauscht, zögert, schließlich doch öffnet, auf das Bett zutritt und ins Dunkel flüstert. Ich glaube, du kannst auch nicht schlafen, laß uns zu zweit wach sein!
    Aber die Gaukelei hielt sich nicht. Der schöne Anschein zerrann. Die Wirklichkeit kehrte zurück. Dies war eine feindliche Insel, denn hier war aller Wahrscheinlichkeit nach der Bruder ums Leben gekommen. Und die glitzernde Downtown war nichts weiter als das von Victor verzweifelt ersehnte Ziel, das ihm Rettung verhieß, das er aber nie erreichte. Das Hotel büßte sein romantisches Dekor ein und verwandelte sich rigoros in das Haus der Henker. Der Blütengeruch erinnerte ihn an Friedhöfe, und die Frau nebenan gehörte ihm nicht und entglitt seinen Wünschen.
    Wie wird Guillermo Hentschel reagieren, wenn wir ihn befragen? Welchen Rat wird er uns geben, ja, welchen kann er uns überhaupt geben, da es doch einer sein muß, der uns, wenn auch nur scheinbar, hilft, der aber ihn selbst nicht verrät? Wie wird morgen früh das Gespräch verlaufen?
    Ich werde genau achtgeben, ob er Einzelheiten aus Victors fingiertem Abschiedsbrief kennt. Nein, ob er sie nennt! Kennen wird er den Brief auf jeden Fall, denn bestimmt war er es, der ihn schrieb. Ich werde also auf der Hut sein, auch Christiane bitten aufzupassen, ob er irgendwann ein Detail berührt, das in dem Brief steht und das er also nicht kennen dürfte. Und sobald er einen solchen Punkt nennt, werde ich …
    Verdammt!
Nichts werde ich! Wir wollen ihn ja noch gar nicht überführen, sondern nur eine Position gewinnen, die uns zu fragen erlaubt, ohne in Gefahr zu geraten. Nur das und
    nichts sonst kann morgen unser Ziel sein. Ihn überführen, genau das dürfen wir nicht, denn sobald das geschieht, ist unsere Lage eine ganz

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