1980 Die Ibiza-Spur (SM)
Grosa sehen. Durch seine exponierte Lage und wegen des ungewöhnlichen Fenstermaßes ähnelte der Raum einem Flughafen-Tower oder auch der Kommandobrücke eines Schiffes.
Es gab da noch einige Besonderheiten mehr, die allerdings weniger mit der architektonischen Beschaffenheit des Raumes als vielmehr mit der ideologischen Ausrichtung des Hausherrn zu tun hatten. In einer Zimmerecke stand ein kniehoher, nach unten sich verjüngender, kupferner Behälter, aus dem heraus sich vier Fahnen erhoben. Ihr Anblick konnte, eine gewisse Empfänglichkeit des Betrachters für Feldzeichen und nationale Embleme vorausgesetzt, durchaus einen feierlichen Effekt erzielen.
Es waren, eine SS-Fahne, schwarzer Untergrund mit weißen Runen, eine schon etwas zerschlissene Marineflagge aus dem Zweiten Weltkrieg, ein Hitler-JugendWimpel, schließlich ein Banner, nach dessen Emblem man in jedem Flaggen-Katalog oder Wappen-Register vergeblich suchen würde, auf den rotumrandeten weißen Grund war in Schwarz ein aus Rad und Hakenkreuz kombiniertes Symbol gedruckt. Die vier Endbalken des Hakenkreuzes waren geschwungen und bildeten zusammen einen fast geschlossenen Kreis, im Schnittpunkt des Kreuzes saß die Nabe. Es gehörte nicht viel Phantasie dazu, dieses Doppelzeichen aus Rad und Hakenkreuz zu deuten, nämlich als den sich unaufhaltsam fortbewegenden NS-Gedanken.
Zum Dekor des Raumes gehörten zwei weitere Objekte, eine aus Bronze gegossene Hitlerbüste, die auf einem hölzernen Sockel stand, und an der Wand, gleich neben der Tür, ein schwarz gerahmter Wahlspruch. Der in gotischen Lettern geschriebene Text verkündete: »Gelobt sei, was hart macht!«
Andere Einrichtungsgegenstände gehörten zur herkömmlichen Ausstattung von Büroräumen. Es gab einen Schreibtisch, mehrere Aktenschränke, zwei Regale mit Büchern, bei deren Durchsicht man auf eine Fülle faschistischer Gedanken gestoßen wäre, zwei Schreibmaschinen und ein Telefon. An der dem großen Fenster gegenüberliegenden Wand hingen zwei Landkarten. Die eine zeigte das Großdeutsche Reich in den Grenzen von 1939, die andere stellte Europa in seiner heutigen Aufteilung dar.
In der Mitte des Raumes stand ein großer Konferenztisch mit zwölf Stühlen.
Eine flache und schmucklose Uhr, die oberhalb der beiden Landkarten an der Wand hing, zeigte fünf Minuten nach zehn an, als Guillermo Hentschel, gefolgt von sieben Personen, den sonnendurchfluteten Raum betrat.
Der Hausherr bat seine Besucher, unter denen zwei Frauen waren, sich zu setzen. Er schloß die Tür, schob sogar einen Riegel vor, trat zu den anderen an den großen Tisch, nahm den Stirnplatz ein und eröffnete die Konferenz. In einer langen Vorrede beschwor er den deutschen Geist vergangener Zeiten herauf, sprach über das Volk, das sich, gelenkt von seinen unbeirrbaren Führern, in einer historischen Stunde auf sich selbst besonnen und alles darangesetzt habe, die Ketten abzuschütteln, die ihm durch den Vertrag von Versailles angelegt worden seien. »Ich bin«, fuhr er fort, »zutiefst erschüttert von der Entwicklung, in die unsere Nation seit 1945 hineingeraten ist und die ihr, wenn wir nicht aufpassen, auch noch den letzten Rest völkischen Bewußtseins nehmen wird. Das gleiche ist, Gott sei es geklagt, jetzt auch mit diesem Land geschehen, in dem wir Zuflucht fanden und das der Generalissimus, unser geliebter Caudillo, jahrzehntelang vor den gefährlichen Fußangeln der Demokratie bewahren konnte. Doch dann starb er, und statt daß diese Nation sein Erbe würdig verwaltete, verschleuderte sie es, indem sie den Verlockungen einer zügellosen und dekadenten Lebensweise unterlag. Das Ergebnis ist offenkundig, der totale Verfall von Moral und Disziplin. Es ist ja ein Trugschluß anzunehmen, daß die Demokratie ein Volk frei macht. Das Gegenteil ist der Fall. Man weicht die Gesetze auf, um nur ja niemanden in seinen Persönlichkeitsrechten zu verletzen, und genau dadurch wird der in die sogenannte Freiheit entlassene Bürger als Volksgenosse verdorben. Sein privater Anspruch ist so groß geworden, daß er nur noch an sich selbst denkt und die Belange der Nation aus den Augen verliert. Bei den Spaniern wie bei den Deutschen muß es also jetzt darum gehen, das Bewußtsein der Volksgemeinschaft neu zu erzeugen, und zwar nach der Devise: Du bist nichts, dein Volk ist alles! Es stimmt ja nicht, was die Interpreten von heute über diesen Wahlspruch sagen, daß er darauf abziele, die Persönlichkeit des einzelnen zu zerstören.
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