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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Waffe in der Hand, und sobald das Türblatt wieder zurückschwingt, hat der Hereingekommene keine Chance mehr.
Er sah wieder aufs Wasser. Das Boot wendete, fuhr aus der Bucht heraus, nahm Kurs nach Norden und verschwand hinter der Felsnase.
Mit dieser Entwicklung hatte er nicht gerechnet, obwohl er selbst es gewesen war, der ihr Vorschub geleistet hatte, indem er den Eindruck bewohnter Räume hinterließ. Wenn er ein Profi gewesen wäre, hätte er jetzt wohl frohlockt, hätte sich gesagt: Nicht ich bin ihm, sondern er ist mir in die Falle gegangen. Und hätte den Mann da herausgeholt. Aber er war nun mal kein Profi. Er konnte eine Schiffsmaschine in Funktion halten und sie notfalls auch reparieren, konnte in einen unheimlichen Schacht hinabsteigen und auch wohl eine Spur verwischen, indem er sein Auto wechselte, aber würde es ihm auch gelingen, den im Hause lauernden, sicher gut geschulten Mann auszutricksen? Nur. Wenn er einen solchen Versuch nicht unternahm, was sollte er dann tun? Seinen Beobachterposten aufgeben, sich zum Auto schleichen, davonfahren und nun doch die Polizei alarmieren, damit sie den Eindringling festnähme? Er hatte das Gefühl, mit einem solchen Vorgehen würde er die Suche nach Victor nicht nur aus der Hand geben, sondern vielleicht sogar vereiteln.
Die Minuten verrannen, ohne daß er zu einem Entschluß kam. Aber ihm war klar, mit viel Mut und Geschick könnte er die Lage entscheidend zu seinen Gunsten verändern. Er resümierte. Ich weiß, daß er im Haus ist, aber er weiß nicht, daß ich es weiß, sondern wiegt sich in dem Bewußtsein, daß die beiden Deutschen, Mann und Frau, ihm ins Netz gehen, ehe die Nacht herum ist. Und plötzlich sagte er sich. Ich kann diese Chance, diesen so leicht nicht wiederkehrenden Vorteil, den sein Irrtum mir einräumt, nicht einfach vertun! Wenn ich’s nicht wage, wenn ich zu feige bin, diesen in seiner Unkenntnis nur noch halb so gefährlichen Mann hochzunehmen, was bleibt mir dann?
Er nahm die WALTHER, entsicherte sie, wog sie eine Weile in der Hand. Er hatte sie erst einmal in seinem Leben benutzt, aber nicht etwa damit geschossen, sondern sich nur mit ihrer Hilfe aus einer elenden Kneipe in Rio zurückgezogen, als zwei Betrunkene mit geköpften Flaschen auf ihn losgingen. Da hatte er ihnen die Waffe entgegengehalten und sich, rückwärts zur Tür gehend, davongemacht. Eine Heldentat war das nicht. Hier aber würde er – Christianes Worte fielen ihm ein – den Helden spielen müssen, zumal sich seine jetzige Lage von der Szene in Rio vor allem dadurch unterschied, daß er diesmal die Wahl hatte.

XXIV.
    Er wickelte das TRINOVID-Glas, die Thermoskanne, die Zigaretten und das Feuerzeug in die Wolldecke, schob das Bündel in einen Felsspalt, stand auf. In der Rechten die WALTHER und in der Linken die Taschenlampe, kletterte er so behutsam wie nur möglich abwärts. Bisweilen tastete er, bevor er weiterging, zehn, zwanzig Sekunden lang mit dem Fuß den Boden ab, um ja nicht mit seinem nächsten Schritt loses Gestein in Bewegung zu bringen, das dann womöglich als polterndes Geröll beim Haus ankäme und ihn mit Aplomb ankündigte. So brauchte er fast eine Viertelstunde, bis er die kurze Wegstrecke von seinem Beobachtungsposten bis zur fensterlosen Wand des Bungalows zurückgelegt hatte.
    Er überlegte, wie er weiterhin vorgehen sollte. Zum Glück kannte er die Aufteilung des Hauses ziemlich genau. Links käme er zu einem winzigen, höchstens sechs Quadratmeter großen Patio, über den er noch am Vortage für Christiane eine Wäscheleine gespannt hatte. Dieser winzige Innenhof hatte keine Tür nach draußen, nur eine zur Küche hin. Sie war nicht abgeschlossen, und so brauchte er, falls er sich für diesen Weg entschied, nur die etwa zwei Meter hohe Mauer des Patio zu erklimmen und sich auf der anderen Seite wieder herunterzulassen, um bis zur Küchentür vorzudringen. Wenn er den anderen Weg wählte, den nach rechts, käme er zur Terrasse. Dort war die steinerne Brüstung sogar nur etwa einen Meter hoch, aber sobald da jemand seinen Kopf über die Bordüre aus Geranien und Zwergrosen und Bougainvillea hinaushob, mußte er, wenn die Vorhänge nicht zugezogen waren, vom Innern des Hauses aus gesehen werden. Für die Benutzung der Terrasse sprach außer der geringen Höhe der Barriere nur noch der Umstand, daß der Eindringling ihn und Christiane gewiß nicht von dort her erwartete. Alles andere sprach gegen diesen Weg. Vor allem der erste Blick über die

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