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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Vorgehens. Aber kann es nicht auch sein, daß es sich ganz anders verhält, daß die einzelnen taktischen Schritte mechanisch ablaufen, quasi ohne ihr Zutun, weil sie unter einem Zwang steht, einem instinkthaften Zwang, den sie moralisch gar nicht zu verantworten hat? Ist sie nicht das Muttertier, dem man das Junge wegnimmt und das einzig und allein auf Gegenwehr ausgerichtet ist? Oder könnte es nicht auch so sein, daß für sie der Mord immer noch anhält, immer noch geschieht, jedesmal, wenn sie ihn sich vorstellt? Immer wieder? Zumindest, solange es diese Hände noch gibt, die dem Kind die Schlinge um den Hals legten und sie zuzogen? Muß sie nicht außer sich geraten, wenn sie im Gerichtssaal auf diese Hände sieht? Darum meine ich, sie handelte im Affekt, obwohl Wochen und Monate seit der Tat verstrichen waren. Und erst, als sie den Mörder vernichtet hatte, fiel jener Zwang von ihr ab.
    So sah Klaus Hemmerich diesen Fall, und wenn er sich auch eingestand, daß ein solcher Zwang für eine Mutter noch viel mächtiger sein mußte als für einen Bruder, so erkannte er doch auch die Parallele und fühlte sich aufgerufen, einen Mann wie Guillermo Hentschel, sollte er Victor getötet haben, nicht davonkommen zu lassen. Denn auch für sich selbst empfand er, was er für die Frau erwogen hatte, daß sich ein Mord so lange wiederholt, bis der Mörder nicht mehr existiert.
    Er sah übers Wasser und abwechselnd auch auf die beiden Felsvorsprünge, die sich aus der grauen, im Mondlicht glitzernden Ebene erhoben, auf den linken, an dessen Fuß sie auftauchen müßten, wenn sie von Norden her kämen, und auf den rechten, den sie umfahren würden, wenn sie von Ibiza aus starteten. Auch die Durchgangsstraße des Clubs, die sich hinter den Häusern den Felshang hinaufwand, kontrollierte er in regelmäßigen Abständen.
    Seit er hier saß, hatte er fünf Schiffe gesehen und ein Dutzend Autos. Jedesmal hatte das in der Ferne wahrgenommene Licht seinen Puls beschleunigt, seine Nerven attackiert, seine Sinne geschärft, aber dann war es doch immer nur ein harmloses Fahrzeug gewesen, wahrscheinlich ein zurückkehrendes Fischerboot oder eine vorbeigleitende Yacht, und die Autos waren weitergefahren in andere Siedlungen.
    Noch einmal, wohl zum dritten oder vierten Mal, seit er seinen Posten bezogen hatte, überprüfte er die Logik seiner Schlußfolgerungen, ging die Indizienkette durch, die ihn in der Annahme, daß sie kommen würden, so sicher machte.
    Sie haben einen Mann gefangen, der Hemmerich heißt, und ihn vermutlich getötet, und es war ihnen daran gelegen, seine Spur zu verwischen, so daß sie mit viel Raffinement eine falsche legten. Acht Wochen später taucht auf dieser Insel ein Mann auf, der sich für ihre Bleimine interessiert. Er kundschaftet sogar den alten Schacht aus und hinterläßt dort ein Indiz, aber nicht etwa nur einen abgerissenen Knopf seiner Jacke oder die Kippe einer deutschen Zigarette, sondern gleich ein ganzes fünfundzwanzig Pfund schweres Tauchgerät, mit dessen Hilfe er ihren Wachhund beseitigt. Ihre Recherchen laufen an, und sie werden schnell fündig, erkunden den Namen und die Ferienadresse des Mannes, der offensichtlich dabei ist, ihnen auf den Pelz zu rücken. Und da kommt zum zweiten Mal der Name Hemmerich ins Spiel. Das ist alarmierend. Vielleicht ist ihnen sogar schon klargeworden, daß dieser zweite Hemmerich identisch ist mit dem Mann, der zusammen mit einer Frau im CASTILLO auftauchte, dann aber plötzlich wieder abreiste.
    Also, sagte er sich, werden sie kommen, und sie sind vermutlich schon bei Tage auf der Suche nach uns gewesen. Sie können allerdings nicht wissen, daß ich noch einmal auf leisen Sohlen in den Laden zurückgekehrt bin, die Glocke abgeklemmt, mich an den Tresen gestellt und gelauscht habe und also über die Absichten unterrichtet bin. Bestimmt haben sie sofort nach dem Telefongespräch das grüne Auto gesucht und es jetzt vielleicht auch schon entdeckt, mußten dann jedoch feststellen, daß sie zu spät gekommen sind. Aber sie haben die Ferienadresse, rufen im ROCA LLISA an, lassen sich unter irgendeinem Vorwand das Haus nennen, das dieser Herr Hemmerich aus Deutschland gemietet hat, haben damit alles, was sie brauchen, und rüsten sich für die Nacht. Also noch einmal. Sie werden kommen, ich habe keinen Zweifel.
    Es dauerte noch eine weitere Stunde, bis das Ereignis eintrat, von dem er nicht einmal genau hatte sagen können, ob er es nun erhofft oder befürchtet hatte.

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