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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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daß es stockdunkel war und er keinerlei Geräusch verursachen durfte. Er überlegte, was zu tun sei, wenn der Mann hereinkäme, und da fiel ihm ein, daß er ein Stück Schnur brauchte, um ihn fesseln zu können. Er steckte die Pistole in die Hosentasche, verließ seinen Platz neben der Tür, tastete den Küchenschrank ab, zog vorsichtig eine Schublade auf. Er wußte, links lagen die Messer, Er griff ins Fach, nahm das Brotmesser heraus, ging in den Patio. Die Wäscheleine war nur etwa zur Hälfte ausgespannt. Der überschüssige Teil hing, zu einem Bündel geschnürt, an einem Haken. Er durchschnitt die Kordel und hatte nun ein etwa fünf Meter langes Seil, das für seine Zwecke reichen würde, in der Hand, kehrte in die Küche zurück. Er legte die Kordel auf dem Kühlschrank ab, und gleich darauf stand er wieder in seiner alten Position neben der Tür. Das Warten ging weiter.
    Nach etwa einer halben Stunde hörte er Schritte auf der kleinen Treppe, die das Wohnzimmer mit der Empore verband. Es fiel ihm zu spät ein, daß während dieser wenigen Sekunden, in denen die Tritte ertönten, sein Gegner genau zu lokalisieren war. Er verpaßte die Chance, entschloß sich aber, auf der Hut zu sein, wenn der Mann wieder hinuntergehen würde, es sei denn, die Konfrontation fände schon vorher in der Küche statt. Aber so kam es nicht. Er hörte die Haustür gehen, entsicherte seine Waffe.
    Auch ihm wird das Warten lang, dachte er, wahrscheinlich hält er Ausschau, ob nicht endlich, endlich ein Auto den Berg herunterkommt. Nach einer Weile wurde die Haustür wieder zugemacht. Er hörte das Schnappschloß und gleich darauf die Schritte.
    Er lauschte angespannt, wartete auf die kleine akustische Nuance im Tritt, die den Wechsel von der Empore zur Treppe signalisieren würde, aber sie kam zunächst nicht. Doch auch die Küchentür wurde nicht geöffnet, also ging der Mann auf der Empore auf und ab.
    Nur selten hatte es in Klaus Hemmerichs Leben Situationen gegeben, in denen seine Nerven so beansprucht wurden wie nun, da nebenan das erste Geräusch ertönt war und er jeden einzelnen Laut zu deuten hatte, um möglichst genau zu wissen, was der Mann gerade tat. Auch das Öffnen der Tür, so wie er es plante, barg eine gefährliche Unwägbarkeit. Brannte nun in dem Raum das Licht oder nicht? Aber es gab auch einen Vorteil, den er sehr wohl zu schätzen wußte.
    Sein Gegner würde ihm, sobald er die Treppe betreten hatte, den Rücken zukehren.
Immer noch klangen die Schritte herüber in die Küche, gleichmäßig wie der Pendelschlag einer Uhr.
Ob er seine Waffe in der Hand hat? fragte er sich. Plötzlich verstummte der Schritt. Aber es gab auch kein anderes Geräusch, verursacht etwa durch das Rücken eines Stuhles oder durch das Hantieren mit den Dingen, die auf dem Tisch standen. Der Mann war also nur stehengeblieben. Für einen Moment stellte Hemmerich sich vor, wie man diese Szene im Film oder auf der Bühne darstellen würde, mit etwas Licht natürlich auf beiden Seiten, die Wand im Schnitt, links und rechts davon je einen der Akteure, den einen wissend, den anderen unwissend oder doch mit mangelhaftem Wissen ausgestattet, das müßte in der Haltung der Figuren zum Ausdruck kommen, in der Art ihres Dastehens. Doch diese kleine Abschweifung in die Brechtsche Dramaturgie dauerte nur Sekunden, war vielleicht ein flüchtiges Erinnern an die letzten Schulstunden in Deutsch, in denen es auch um die zweitgeteilte Bühne gegangen war.
Was macht er jetzt? Steht er an der Emporenbrüstung und sieht hinunter in das Wohnzimmer? Betrachtet er die beiden Ölbilder, die in der Sitzecke hängen? Oder steht er im Dunkeln und läßt nur den Strahl seiner Taschenlampe durch den Raum gleiten? Mehr und mehr neigte Hemmerich zu der Annahme, daß der Mann keine der elektrischen Lampen eingeschaltet hatte, denn er mußte ja damit rechnen, daß die Ankommenden vom Berg aus schon durch einen nur schwachen, diffusen Lichtschimmer am Haus stutzig gemacht, vielleicht sogar zur Umkehr bewogen würden. Nein, ganz gewiß harrte der Mann – ähnlich wie er selbst – im Dunkeln und ließ nur hin und wieder seine Stableuchte aufblitzen.
Da! Die Schritte setzten wieder ein. Und schon im nächsten Augenblick hörte Hemmerich den Tritt auf die erste Treppenstufe. Er riß die Tür auf, hielt die Waffe nach vorn, sah zum Glück den Mann deutlich genug vor sich, denn unten brannte doch eine Lampe, wenn auch mit einer Wolldecke abgeschirmt. Und ganz automatisch, als

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