1980 Die Ibiza-Spur (SM)
Das Boot kam von Norden, also von der Küste, an der die Bleimine lag, kam ohne Lichter um die ins Meer ragende Felsnase herum und fuhr langsam in die Bucht hinein. Er wußte, daß sie es waren. Sie fuhren abgedunkelt, und das war ihm Beweis genug.
Er nahm sein Fernglas zur Hand, das er zusammen mit der WALTHER und der Taschenlampe neben sich liegen hatte, sah hindurch. Einen Moment lang empfand er Triumph, lächelte, denn er hatte einen Verbündeten. Auch der Mond war ihr Gegner; er sorgte dafür, daß ihr Fahrzeug sich deutlich von dem dunklen Steilhang abhob.
Hemmerich wollte zunächst nichts weiter als abwarten, wollte beobachten, was geschah. Plötzlich, das Boot war noch ziemlich weit entfernt, erstarb das Motorengeräusch, das bis dahin ganz verhalten zu ihm heraufgedrungen war, und gleich darauf sah er Bewegung auf dem Deck. Jemand ließ sich ins Wasser hinunter. Vielleicht waren es auch mehrere. Er hatte zwar seinen Logenplatz, dazu seinen Freund, den Mond, und das bewährte TRINOVID-Glas, aber der Abstieg ins Wasser erfolgte von der ihm abgekehrten Seite des Bootes, und darum konnte er nicht genau erkennen, was da vorging. Doch schon bald darauf entdeckte er drei Gestalten, die sich an den Felsen entlang drückten. Sie trugen Badehosen, er sah ihre hellschimmernden Körper. Aber gewiß trugen sie noch etwas mehr, Messer oder sogar Pistolen, die sie, vielleicht in einem wasserdichten Behälter, trocken ans Ufer gebracht hatten. Jedenfalls würden sie nicht unbewaffnet ins Haus treten.
Drei also, dachte er. Mein Gott, wie wäre es Christiane und mir ergangen, wenn wir – nichtsahnend – den Tag beendet und uns zur Ruhe begeben hätten! Wir wären unsanft aus den Betten geholt, auf ihr Boot verfrachtet und dann wer weiß wohin gebracht worden. Vielleicht wäre es uns wie Victor ergangen, was immer das bedeutet hätte.
Sie waren schnell, huschten lautlos wie Katzen über das unwegsame Gestein, und dann waren sie am Haus.
Wenn sie jetzt erst nach vorn gehen, überlegte er, werden sie enttäuscht sein, weil der Seat nicht da ist. Aber sie machten sich diese Mühe nicht, hielten sich mit Observierung und Beratung gar nicht erst auf, sondern schritten sofort zur Tat. Sie kletterten auf die Terrasse, und gleich darauf hörte er die Schiebetür gehen. Christiane hatte sich darüber beklagt, daß die schweren, in Metallrahmen gefaßten Scheiben in so stumpfen Schienen liefen und daher viel Lärm machten. Nun half ihm dieser Umstand, einen entscheidenden Schritt seiner Gegner zu verfolgen, denn beobachten konnte er ihr Eintreten nicht. Die Terrasse war von seinem Platz aus nicht voll einzusehen.
Sie sind also drinnen! Noch einmal malte er sich aus, was jetzt in den Zimmern geschehen wäre, wenn Christiane und er den Bungalow nicht aufgegeben hätten. Ihm wurde heiß. Er streifte die Wolldecke von den Schultern, spürte seine feuchten Hände.
Was werden sie tun?
Es gab auf der ihm zugekehrten Seite des Hauses keine Fenster, und so konnte er nur vermuten, daß sie im Licht ihrer Taschenlampen die Zimmer durchsuchten. Er stellte sich den Zorn vor, den das leere Nest in ihnen erwecken mußte, und wieder lächelte er. Aber sein Triumph war nicht so groß, daß nicht auch die Angst noch da war, denn er wußte genau. Das böse Spiel war noch lange nicht zu Ende.
Eine Viertelstunde mochten die Männer sich im Bungalow aufgehalten haben, da gab es erneut Bewegung, und zwar unterhalb der Terrasse. Gleich darauf huschten die Gestalten wieder an der Felswand entlang, diesmal in Richtung auf ihr Boot. Er sah durch sein Glas, und nun entdeckte er etwas für den weiteren Verlauf seiner Nachtwache Entscheidendes. Es waren nur zwei Männer, die zum Boot zurückkehrten. Er verfolgte ihren ganzen Weg bis hin zu der Stelle, an der sie ins Wasser gingen. Erst dann ließ er seine Augen den Weg zurückgehen, ganz langsam, Meter für Meter, um den dritten Mann, falls er sich nur verspätet hatte, ja nicht zu übersehen. Als er sein Glas wieder auf das Haus gerichtet hielt, ohne den Nachzügler gefunden zu haben, und dann auch noch den wiedereinsetzenden Motor hörte, da wußte er. Der Dritte war im Haus geblieben, um Christiane und ihm einen bösen Empfang zu bereiten.
Oft hatte er diese Szene, die wie kaum eine andere an die Nerven geht, im Kino gesehen. Da sitzt er, der Böse, sitzt im dunklen Zimmer, meist dort, wo ihn die sich öffnende Tür selbst dann noch für einen Moment verbirgt, wenn das Licht angeht, sitzt da mit seiner
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