1980 - Shabazzas Todesspur
Fensterbank.
Glaugenthorn zog den Arm nicht zurück.
Sanft strich einer der Fühler des Käfers über seine Hand hinweg, dann breitete das Insekt die Flügel aus, pumpte kurz und startete. Es verschwand schnell aus dem Blickfeld des Terraners.
Glaugenthorn blieb am Fenster stehen. Er beobachtete das Treiben der Tiere am Fluß, bis der Container die Flußmündung erreichte. Blutrot versank die Sonne unter dem Horizont. Jetzt wandte der Wissenschaftler sich ab, setzte sich an seinen Syntron und ergänzte die Berichte, die er dort in den letzten Jahren während seiner Arbeit im Wald verfaßt hatte.
Er speiste die Berichte über seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in das Informationsnetz LACHET ein. Es begann mir den Worten: Eines der umfassendsten Systeme mit einer Konzentration höchster Lebensenergie ist der Wald von Lepso-Suma mit seinergesamten Fauna und Flora sowie allen Mikroorganismen, die es auf seinem Gebiet gibt.
Während er diese Zeilen noch einmal überflog, vernahm er plötzlich ein lautes Gebrüll und das Krachen brechender Äste. Tausende von Vögeln erhoben ihre Stimme zu einem wütenden Protestgeschrei, in das zahllose andere Tiere einstimmten, unter ihnen die unüberhörbaren Brüllkatzen.
Der Wissenschaftler sprang erschrocken auf und stürzte ans Fenster. Er kam gerade noch zurecht, um zu sehen, wie ein wild um sich schlagendes Saurotenlamm von Traktorstrahlen zu einem Spezialtransporter hochgehoben wurde; der etwa zweihundert Meter über dem Waldrand schwebte.
Es war eine riesige Antigravscheibe, die vornehmlich zum Einfangen von Tieren benutzt, wurde. Sie war etwa hundertfünfzig Meter lang und siebzig Meter breit. Von den Aufbauten war aus dem Blickwinkel des Wissenschaftlers so gut wie nichts zu sehen. In der Mitte der Scheibe befand sich ein großes Loch.
Schwärme von Vögeln und Fluginsekten aller Arten umkreisten das junge Tier, das brutal aus dem Dickicht des Waldes herausgerissen worden war. Sie protestierten allerdings vergeblich gegen das Geschehen.
Wirkungslos prallten sie gegen einen unsichtbaren Energieschirm, der das eingefangene Tier umhüllte, bis es durch das Loch in der Plattform hochgezogen wurde.
Unmittelbar darauf schloß sich die Öffnung, und die Transportscheibe stieg auf, beschleunigte mit hohen Werten und entführte das Saurotenlamm in Richtung der riesigen Stadt, deren Silhouette am Horizont schwach zu erkennen war. Eine schmale Landzunge führte zu ihr hinüber, doch das Gelände auf ihr war so schwierig und unübersichtlich, daß wohl noch niemals ein Mensch sie zu Fuß überquert hatte.
Zornig schlug Glaugenthorn mit der Faust gegen den Fensterrahmen. Energisch forderte er die unbekannten Jäger über Funk auf, dem Wald das Jungtier zurückzugeben, doch auf ihn hörte die Besatzung der Plattform ebensowenig wie auf die Vögel, die Insekten und die anderen Tiere.
*
Die Sinne Shabazzas klärten sich erst, als er die bedrohlich klingenden Worte vernahm: „Der Mann trägt eine Maske aus Biomolplast!"
Erschrocken tauchte er aus seiner geistigen Lähmung auf. Nun zeigte sich, daß er in der kurzen Zeit, die er wieder im Körper Rhodans lebte, ganz erheblich an Energie gewonnen hatte.
Der Zellaktivator, den ES dem Sechsten Boten von Thoregon verliehenhatte, sandte weiterhin deutlich spürbare Impulse aus. Der Gestalter nahm sie auf wie ein trockener Schwamm das Wasser.
Bewußt nahm er nun seine Umgebung wahr - den massigen Polizisten in der zu engen Kleidung, die an den Schultern und über dem Bauch zu platzen drohte, den Kampfroboter, der hinter ihm stand und ihn sicherte, und die beiden jungen Frauen, die einige Schritte entfernt an Arbeitstischen saßen, zwischen Nervosität und Neugier schwankend mit Syntronstiften spielten und ihn voller Abscheu musterten.
Eine von ihnen deutete auf eine mannshohe Holoscheibe, auf der sich eine Darstellung von ihm befand.
Seine Gestalt war in verschiedenen Schichten und mit Falschfarben gekennzeichnet.
Shabazza konnte sehen, daß die Scheibe klar und unverkennbar zeigte, wie er unter der Maske aussah.
„Wir haben eine Reihe von schrägen Vögeln auf Cross", sagte der Massige mit tiefer, heiserer Stimme, „aber einen Perry-Rhodan-Doppelgänger hatten wir noch nicht."
„Der Mensch hat sich sogar einen Chip einpflanzen lassen, um möglichst echt zu wirken", vermeldete eine der beiden Frauen. Sie hatte kurze blonde Haare. Über ihrem rechten Ohr prangte eine dicke Locke, die das Ohr schneckenförmig umgab.
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