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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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Florence schaltete den Fön aus und horchte noch einmal. Es klopfte erneut. Sie zog sich ihren Bademantel über, ging zur Tür und öffnete einen Spalt. Georg hatte das Album im Arm und schien ganz unruhig zu sein. Florence ließ ihn herein und er lief gleich durchs Zimmer und setzte sich auf einen Stuhl. Er zog einen zweiten heran und legte das Album vor sich auf den Tisch. Dann erst sah er Florence an.
    »Komm setzt dich. Ich habe etwas gefunden, ich habe tatsächlich etwas gefunden.«
    Florence schloss erst jetzt die Tür. Sie ging zu Georg, zögerte kurz und setzte sich dann auf den freien Stuhl. Georg klopfte mit der flachen Hand auf das Ledereinband des Albums.
    »Wir hätten es nicht so achtlos behandeln dürfen«, sagte er immer noch ganz aufgeregt. Er hatte sich ein Lesezeichen in das Album gelegt und fuhr mit den Fingern zwischen die Seiten, um das Buch aufzuschlagen.
    »Lies dir das hier einmal durch.«
    Florence rückte näher an den Tisch und beugte sich über das Album.
    »Lies es laut vor«, forderte er sie auf.
    Sie blickte noch einmal zu Georg und begann zu lesen.
     
    ...ich bin selbst Franzose und Zeitgenosse Claude Monets, obwohl ich ihm nie selbst begegnet bin...
    ...Claude Monet mag in Giverny glücklich und zu Wohlstand gelangt sein, mit seiner Kunst, aber ich kannte auch einen, diesmal sogar persönlich, einen Mann namens Eugène Henri Paul Gauguin, dem Anerkennung nur unzureichend und Auskommen in keinster Weise zu Teil geworden sind...
     
    »Sie haben sich gekannt.« Georgs Stimme überschlug sich beinahe. Florence nickte und las sich den Text ein zweites Mal durch. »Es kommt noch besser«, sagte Georg, als Florence ihn wieder anblickte. Er blätterte die Seite um und tippte mit dem Finger auf den Artikel der nach dem Leserbrief eingeklebt worden war. Florence beugte sich wieder über das Buch, um zu lesen.
     
    ...meine Pflicht war es, in den Kolonien Frankreichs, in den Überseegebieten Tahiti und auf den Inseln der Marquesas-Gruppe, in den Weiten des Pazifiks, Dienst zu tun. Einen jener Maler, die in Frankreich, in Europa, in ihrer Kunst neue Wege gegangen waren, zog es aus anderen Gründen dorthin. Ich bin dem Maler und Künstler Eugène Henri Paul Gauguin begegnet, von dem viele heute behaupten, dass er im Paradies gelebt und geschaffen hat. Ich weiß, dass es anders war...
    ...einen Gauguin kannte ich nicht. Ich hatte die Namen Degas, Monet oder Cézanne gehört. Als junger Mann habe ich mich sehr dafür interessiert, was die Kunst in Paris machte. Paris war immerhin das Zentrum. Ich besuchte Ausstellungen, traute mich aber nicht in die Künstlerviertel zu gehen. Ich habe natürlich Künstler kennengelernt. Sie waren wie Handwerker, gut, ja sogar sehr gut, aber nicht genial. So ließ sich die Großmutter eines Freundes in Öl malen. Ich erinnere mich noch an den ruhigen Herrn, der ein ausgezeichnetes Ergebnis ablieferte, aber er war in meinen Augen nur ein Handwerker und ist heute wohl vergessen, nicht so die anderen...
    ...er hieß Gauguin, Eugène Henri Paul Gauguin. Er ließ sich Paul rufen, heute wohl bekannt, damals mehr ein Heruntergekommener, ein Ärgernis für die Behörden in den Überseegebieten...
    ...kennengelernt habe ich diesen Monsieur Gauguin erst auf den Marquesas, auf Hiva Oa, um genau zu sein. Ich hörte aber, dass er bereits auf Tahiti in Ungnade gefallen war...
    ...Gauguins Kunst habe ich zu seinen Lebzeiten nie bewusst wahrgenommen. Wir waren viele Monate auf der Insel Hiva Oa, haben dort gelebt. Ich habe damals angefangen zu fotografieren. Leider habe ich nie ein Foto von Monsieur Gauguin gemacht. Ich sah keinen Anlass und er hatte auch keine Lust...
     
    »Hier kommt es wohl«, sagte Florence aufgeregt.
     
    ...einige Tage später zeigte mir meine Frau Bilder, Monsieur Gauguin hatte meine Töchter gezeichnet. Es waren Skizzen, würde ich sagen, doch das Wesen der Mädchen hatte er gut getroffen. Er hat es in unserem Auftrag fertig gemalt, zu einem richtigen Bild. Wir haben ihm Geld dafür bezahlt und meine Frau hat bestimmt noch etwas dazu gegeben, sie kannte ihn besser als ich. Ein Jahr später hatte er nichts mehr von dem Geld, als er es gebrauchen konnte, weil er es mit den Behörden zu tun bekam und eine Strafe zahlen musste...
     
    Georg nahm den Bleistift, der auf dem Tisch lag und markierte die Stelle in dem Artikel ganz vorsichtig, dann lasen sie es sich noch einmal durch.
    »Das ist doch ein Beweis«, sagte Florence euphorisch. »Victor Jasoline

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