1981 - Richard
Florence.
»Stimmt. Ich habe in Paris angefangen, bin auf das Sanatorium bei Allaire gestoßen und bin Julie Jasoline über die Marquesas bis nach Sydney gefolgt. Ihre Spur endet dann zwar in Liverpool, aber da ihre Schwester sie beerbt hat, komme ich wieder in Paris, in der Rue Mandar an.« Er seufzte. »Ach, wir hätten uns übrigens schon vor zwei Tagen denken können, dass Tom vor seiner Mutter verstorben ist. Warum hätte sonst Thérèse und nicht Tom seine Mutter beerbt.«
»Wir wären schon noch darauf gekommen, wenn sich dein Freund Sean nicht so schnell gemeldet hätte. Ich denke, wir können jetzt unsere Heimreise antreten.«
*
Am Donnerstag ging ihr Flug von Sydney nach Tahiti . Es war eine Direktverbindung. Sie überflogen erneut die Datumsgrenze, jetzt kamen sie aber aus der anderen Richtung. Sie landeten daher wieder am Mittwochabend auf dem Flughafen Faaa . Florence hätte bereits am nächsten Morgen auf die Marquesas weiterfliegen können, sie entschied sich aber, noch zu bleiben. Georg hatte nicht vor Sonntag einen Flug nach Los Angeles bekommen. Florence hatte ohnehin geplant erst am Montag wieder auf Nuku Hiva zu sein. In den verbleibenden Tagen bestand sie darauf, ihm die Insel zu zeigen. Georg wollte sich eigentlich bei Fabrice noch persönlich bedanken, doch als Florence im Rathaus anrief, um einen Termin zu vereinbaren, bekam sie die Auskunft, dass Fabrice nach Bora Bora gereist war. Am Nachmittag nahmen sie sich daher gleich einen Mietwagen und fuhren an der Küste entlang. Sie hielten sich lange im Gauguin-Museum in Papeari Village auf. Im Museum kaufte sich Florence zwei Bücher, die beide von Gauguin selbst geschrieben waren. Von dem einen, von Noa, Noa, hatte Georg bereits gehört. Es wurde häufig in den Biographien erwähnt. Das andere Buch war eine Art Eigen-Biographie mit dem Titel »Avant et apres« , »Vorher und Nachher«. Es waren Lebenserinnerungen, in denen Gauguin seine Zeit als Matrose, die Begegnungen mit Vincent van Gogh und Ereignisse auf Tahiti und den Marquesas beschrieb. Viele Passagen ähnelten tatsächlich einem Tagebuch. Gauguin hatte den Text in seinem letzten Lebensjahr von 1902 bis 1903 verfasst. Noch kurz vor seinem Tod hatte er das Manuskript an einen Freund geschickt, aber es wurde erst Jahre später veröffentlicht. Das Buch umfasste gut zweihundert Seiten, wenn es überhaupt ein Buch war, denn Gauguin schrieb in den ersten Kapiteln immer wieder den Satz: »Dies ist kein Buch.«
Als sie vom Museum aus dann noch Richtung Tahiti Iti fuhren, begann Florence bereits zu lesen. Ab und zu las sie Georg eine Passage vor, so auch die Stelle, an der Gauguin nachts das Haus in Arles verlässt und van Gogh ihm mit einem Rasiermesser in der Hand folgt. Als die beiden aufeinander treffen, blicken sie sich sekundenlang an. Van Gogh wendet sich daraufhin ab und kehrt zurück in sein Haus. In dieser Nacht schneidet er sich dann ein Stück seines Ohres ab, die wohl berühmteste Begebenheit, die vom Leben Vincent van Goghs bekannt ist.
»Es ist doch faszinierend, dass die Geschichte von einem Augenzeugen berichtet wird«, meinte Florence.
Georg nickte. Sie fuhren gerade an Vairao vorbei. »Wollen wir hier anhalten?«, fragte er.
Florence blickte auf und schüttelte dann den Kopf. »Lass uns noch ein Stück fahren, bis wir nach Teahupoo kommen. Dort machen wir Rast und gehen ans Meer.«
Sie las weiter. Es waren noch gut zehn Kilometer. Bei Teahupoo stiegen sie aus. Florence erzählte von den Surfern, die sich seit einigen Jahren hier trafen. Auf dem Wasser, in den doch recht hohen Wellen, sahen sie einige Menschen schwimmen oder auf ihren Brettern stehen. Nach etwa einer Stunde fuhren sie weiter. Florence wollte, quer über die Insel nach Tautira , um dann an der Nordküste zurück nach Papeete zu gelangen. Die Tour vorbei am Mount Rooniu hätte aber mindestens drei Stunden gedauert. Georg schlug daher vor, auf dem gleichen Weg wie sie gekommen waren auch wieder zurück zu fahren. Es war bereits später Nachmittag und sie brauchten auch für diese Strecke noch fast zwei Stunden, zurück in die Hauptstadt Tahitis .
Am Freitag waren weder Florence noch Georg besonders unternehmungslustig. Sie waren in den vergangenen Tagen ohnehin viel herumgereist, hinzu kam noch die Zeitverschiebung, die sie zweimal durchlaufen hatten. In Mahina , im Norden Tahitis , gab es eine geschützte Badebucht innerhalb des Korallengürtels. Während die Touristenströme sich mehr im Süden
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