1981 - Richard
Saal verstummte langsam.
»Danke, danke, dass sie mir heute die Gelegenheit geben...«
Es waren diese ersten Worte des Mannes, der jetzt vor den Gästen stand und sprach. Es hallte in Edmund Linz Ohren nach. Diese Stimme kannte er, genauso wie das Gesicht des Mannes. Er nahm nicht mehr wahr, was Konrad Schumann sagte, sondern hörte nur noch den Klang seiner Stimme.
"...einmal wieder die hervorragenden Arbeiten zu präsentieren, die den großen und alten Meistern würdig sind...«
Konrad Schumann kam ohne Umschweife auf das erste Bild zu sprechen. Er erklärte das Motiv, erzählte Anekdoten über die Entstehung und rühmte den Ort, an dem das Original hing. Mit Beginn seiner Rede hatten zwei Bedienstete die Staffelei weiter nach vorne geschoben, so dass das Bild jetzt im Mittelpunkt der Szene stand. Edmund Linz nahm diese Bewegungen nicht wahr. Er starrte nur Konrad Schumann an. Er bekam auch nicht den Beginn der Auktion mit, das Abgeben der ersten Gebote. Er sah ausschließlich den alten Mann dort vorne vor ihm. Konrad Schumann hatte sich nicht verändert, glaubte Edmund Linz zumindest. Die Erinnerung war da, auch wenn sie nur auf sehr wenigen Eindrücken basierte.
Die beiden Männer hatten sich einmal am Telefon gesprochen und genau einmal getroffen und zwar in Edmund Linz Haus. Es war sieben oder acht Jahre her und seit dieser Zeit besaß Edmund Linz ein vielversprechendes Ölgemälde von Paul Gauguin, ein Bild, an dem heute all seine Hoffnungen hingen und das ihm in wenigen Wochen all seine finanziellen Probleme abnehmen sollte. Er hatte den Gauguin von diesem Mann gekauft, der jetzt nicht weit von ihm stand und dem Publikum einen Monet anpries, einen gefälschten Monet, eine Kopie, für die bereits die ersten Gebote ausgerufen waren.
*
Edmund Linz versank unmerklich in seinem Stuhl. Seine Gedanken gingen einige Jahre zurück. Es gab noch viele Freunde und Geschäftspartner, die seine Leidenschaft kannten. Irgendjemand hatte den Tipp gegeben und Konrad Schumann hatte sein Angebot unterbreitet. Zunächst telefonisch und dann hatten sie sich verabredet. Bereits beim ersten Gespräch hatte Konrad Schumann angedeutet, worum es ging, aber am Telefon ließ sich schlecht abschätzen, ob alles so stimmte, was er behauptete. Konrad Schumann kam allein, wie vereinbart. Edmund Linz sah sein Gesicht, sein Aussehen von damals, jetzt ganz genau vor sich und er hörte kurz die Stimme, die aus dem Heute kam und die die Gebote ausrief. Dann versank Edmund Linz wieder in seine Gedanken, er war wieder in dem prächtigen Haus, das er einst besessen hatte. In dem Holzkoffer befand sich das Objekt. Konrad Schumann setzte sich auf den angebotenen Sessel, behielt die Hand aber immer noch fest am Griff des Holzkoffers. Edmund Linz setzte sich ihm gegenüber. Sie sahen sich erst an, dann wanderte Konrad Schumanns Blick durch das Zimmer. Es war beinahe wie ein Salon eingerichtet, teure Möbel, Vasen, Skulpturen, alles sehr geschmackvoll arrangiert. Es kam Bewegung in den Holzkoffer. Konrad Schumann deutete auf den Tisch. Edmund Linz verstand und nickte. Der Gast legte den Holzkoffer auf die mit Keramikfliesen besetzte Tischoberfläche. Es war ein mittelgroßer Atelierkoffer, zur Aufbewahrung von Bildern, Zeichnungen, Skizzen und kleinformatigen Ölgemälden. Der Koffer hatte zwei Schnappverschlüsse, die Konrad Schumann mit seinen Daumen entriegelte. Die Schnapper schnellten hoch und er öffnete den Deckel. Er klappte ihn ganz weit auf, so dass er auf der Tischplatte zum Liegen kam. Edmund Linz blieb dabei ruhig sitzen. Er beugte sich nicht vor. Er sah nur die ganze Zeit seinem Gegenüber ins Gesicht, beobachtete seine geschäftige Miene. Dieses intensive Beobachten musste mit ein Grund dafür sein, das Edmund Linz den Mann jetzt wieder erkannte. Er brauchte gewöhnlich einige Treffen mehr, um sich das Gesicht von Menschen einzuprägen, um sie später wiederzuerkennen. Konrad Schumann nahm das Tuch heraus, das den Gegenstand bedeckte. Mit den Fingerspitzen griff er seitlich in den Koffer und hob das Bild heraus. Er drehte es und hielt es vor seine Brust. Edmund Linz rührte sich noch immer nicht. Er sah sich das Bild aus der Entfernung an. Er musste seine Emotionen unterdrücken. Dann erhob er sich plötzlich. Er hatte etwas vorbereitet. In der Ecke des Zimmers stand an der Wand gelehnt eine zusammengeklappte Staffelei. Edmund Linz nahm die Staffelei und zog sie auseinander. Er trug sie zu einer halbhohen Säule, auf der eine Vase
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