1981 - Richard
des Hauses Blammer regelmäßig auf. Eine Besonderheit war dann aber doch die Worpsweder-Schule , die in den letzten Jahren viel vertreten war. Es fing im Jahr 1989 mit der Hundertjahrfeier seit Gründung der Worpsweder-Künstlerkolonie an und hielt sich bis heute fast unverändert. Es waren aber wieder die weniger bekannten der alten Worpsweder Künstler wie Otto Ubbelohde , Richard Oelze oder Walter Bertelsmann , an die das Haus Blammer herankam, doch Worpswede war schon ein Begriff.
Die Ölgemälde, Tusche- oder Kreidezeichnungen wurden gewöhnlich bis zum Auktionstag bei Blammer, im Keller des Verwaltungsgebäudes verwahrt. Es gab mehrere klimatisierte und mit Stahltüren gesicherte Räume, die wie überdimensionale Safes wirkten. Edmund Linz wartete aber in einem fensterlosen Zimmer im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes. Es gab einen schmucklosen Tisch, wie er in Schulungsräumen stand, und zwei Stühle und es gab eine große Staffelei in einer Ecke des Zimmers. Es klopfte an der Tür und ein Mitarbeiter des Hauses Blammer trat ein.
»Guten Tag«, begrüßte er Edmund Linz freundlich. »Ich habe das Objekt für sie mitgebracht.«
Der Angestellte hatte einen Rollwagen dabei, auf dem das Gauguin -Gemälde aufrecht stand, angelehnt an ein montiertes Gestänge. Das Bild war in einen Filzstoff eingewickelt. Simons Mitarbeiter zog den Wagen in den Raum. Edmund Linz deutete auf den Tisch.
»Können sie es bitte dort ablegen, ich werde es selbst auspacken.«
Der Mann nickte. Er griff mit beiden Händen nach dem Gemälde und legte es vorsichtig auf die Tischplatte.
»Ich warte draußen vor der Tür«, sagte er schließlich und schob den Rollwagen an die Wand. Beim Verlassen des Raumes zog er noch die Tür hinter sich zu, so dass sie ins Schloss einrastete. Edmund Linz war allein. Er hatte sich vorhin schon nach Kameras umgesehen. Er konnte aber keine entdecken. Das Filztuch war mit Schnüren gebunden. Beim Öffnen stellte er fest, dass es eine Filztasche war. Er löste alle Schnüre, zog das Ölgemälde aus dem Filz und legte es auf den Tisch. Er beugte sich darüber und betrachtete es. Das Bild hing so viele Jahre wie selbstverständlich in seinem Salon und jetzt war es verwahrt wie in dem Tresor einer Bank. Er sah zur Tür, sie war verschlossen und Simons Angestellter würde davor Wache stehen, würde aufpassen, dass der Gauguin nicht abhandenkäme. Edmund Linz blickte wieder auf das Ölgemälde. Er hatte eine große Mappe dabei. Zwischen losen Blättern lag die Zeichnung, die er von Konrad Schumann und Sébastian Lumar erpresst hatte. Er nahm die Zeichnung und legte sie auf den Tisch. Er war ganz vorsichtig, weil er wusste, was da vor ihm lag. Eine Vorsicht, die nicht mehr notwendig war, bei dem was er für später geplant hatte. Dennoch hatte er die Zeichnung in den letzten Tagen mit Ehrfurcht behandelt, sie sanft berührt, sie gestreichelt, sie bewundert, so wie er es vor ein paar Jahren mit seinem vermeintlichen Gauguin -Gemälde getan hatte. Er musste beinahe lachen, wenn er jetzt darüber nachdachte. Sein Blick fiel auf das Ölgemälde. Für den Bruchteil einer Sekunde wollte er nicht glauben, was ihm dieser Konrad Schumann vor ein paar Tagen offenbart hatte. Er sah das Ölgemälde plötzlich mit ganz anderen Augen, mit anderen Emotionen, ja beinahe ohne Emotionen. Er hatte schon vor Wochen, ja vor Monaten geplant, sich von dem Gemälde zu trennen. Er war schließlich zu Simon Halter gegangen, um diesen Entschluss in die Tat umzusetzen. Es war eine Notwendigkeit, mit der er sich irgendwann abgefunden hatte, obwohl es ihn noch bis vor wenigen Tagen schmerzte. Jetzt schmerzte nichts mehr, Ehrfurcht hatte er nur noch vor dieser wunderbaren Zeichnung, dieses Od aus Meisterhand, das jetzt die Würde besaß, wie sie einst das Ölgemälde besessen hatte. Es schmerzte, weil er mit der Zeichnung etwas Furchtbares vorhatte. In seinen Gefühlen war es furchtbar. Er starrte auf die Zeichnung, sein Blick verlor sich. Er musste sich wachrütteln, er musste wieder klar denken. Es gab keine Emotionen mehr, dafür war es jetzt zu spät. Er war hierhergekommen, um noch einmal sicher zu gehen, dass er das richtige tat, tun würde. Das Ölgemälde und die Zeichnung lagen nebeneinander. Edmund Linz verglich jedes Detail. Es gab keine Abweichungen, nicht die geringste. Sébastian Lumar hatte exakt und sorgfältig kopiert, so dass das Ölgemälde ein Double der Zeichnung geworden war, auch wenn die Formate nicht dieselben
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