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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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einmal um, sah Konrad Schumann direkt ins Gesicht. Beide schwiegen. Es gab nichts mehr zu besprechen. Beide Seiten wussten was vereinbart war. Es würde zumindest bis zur Pressekonferenz halten, dachte Edmund Linz, bis zu dem Zeitpunkt, da Konrad Schumann und Sébastian Lumar erfahren würden, welchem Zweck das Gauguin -Gemälde dienen sollte, das Bildnis der Julie des Bois .
    Edmund Linz ging zu seinem Wagen. Er stieg ein, setzte sich ans Steuer und blickte auf die Uhr im Armaturenbrett. Es war kurz vor elf. Er hatte genau zwölf Minuten für seine zweite Aktion an diesem Tag gebracht. Er startete den Wagen und fuhr langsam an. Die Fahrt war ruhig. Er konzentrierte sich die ganze Zeit, dachte nach. Zu Hause angekommen nahm er die unscheinbare Plastiktüte vom Beifahrersitz. Er ging hinauf in seine Wohnung. Es war zu riskant, das Geld irgendwo einzuzahlen. Er musste es in der Wohnung behalten. Die Decke im Bad war abgehängt. Er hob eine der Zierplatten heraus und klebte die Plastiktüte darauf. Dann hängte er die Platte wieder ein. Vorher hatte er sich noch etwas von dem Geld genommen, nicht viel. Er musste schließlich nur ein paar Wochen warten, bis er sich wieder mit Geld sehen lassen konnte, solange musste das Versteck herhalten. Er hatte für seinen heutigen Tag drei Aktionen geplant. Zwei hatte er erledigt. Er ging in die Küche. Er hatte die Mappe mitgenommen, in der sich die Zeichnung befand. Er zog sie heraus und legte sie auf den Küchentisch. Seine Hände zitterten, je länger er darüber nachdachte, was da vor ihm lag. Es musste sein, es war die einzige Chance, er musste es tun. Er nahm die Zeichnung und trug sie zur Spüle. Aus einer Küchenschublade holte er ein Feuerzeug. Er strich mit dem Daumen über die Rändelschraube und eine Flamme züngelte über dem Gasauslass. Er sah gebannt darauf, dann blies er sie wieder aus, legte das Feuerzeug auf die Spüle und ging mit der Zeichnung in der Hand zurück zum Küchentisch. Im Bad hatte er ein Vergrößerungsglas. Er holte es und setzte sich an den Küchentisch. Er atmete einmal durch, dann nahm er das Vergrößerungsglas und beugte sich über die Zeichnung. Er scannte das Bild ab, sah die Details der aufgetragenen Kreide, sah die geschwungenen Linien, sah die Schattierungen, sah ins Gesicht des kleinen Mädchens.
    »J ulie« , flüsterte er. »G auguin«
    Langsam richtete er seinen Oberkörper wieder auf, starrte zur Wand. Dann meinte er, alles in Zeitlupe zu sehen. Er legte das Vergrößerungsglas auf den Küchentisch und nahm die Zeichnung in die Hand. Er ging zur Spüle, stockte noch einmal, hielt die Zeichnung dann aber über den Ausguss. Er griff nach dem Feuerzeug, erneut züngelte eine Flamme auf. Seine Hand bewegte sich mechanisch. Die Flamme erfasste den unteren Rand des Papiers, ein Ruß-Schwall stieg auf und wurde schwärzer. Es roch ganz eigenartig. Die Zeichnung begann sich von der Hitze einzurollen, als wenn sich das Papier im Schmerze verzog. Edmund Linz spürte die Wärme, spürte die Hitze aufsteigen. Sein erster klarer Gedanke war es wieder, dass er aufpassen musste, sich nicht zu verbrennen. Sein Herz klopfte, raste für einige Sekunden, dann war es vorbei, alles war vorbei.
    *
    Viele seiner Bücher hatte Edmund Linz nach seinem Umzug noch gar nicht ausgepackt. Sie standen in Umzugskartons, in einem Zimmer, das er als Abstellraum nutzte. Es war längst nicht seine gesamte Bibliothek. Er hatte das meiste verkaufen müssen, besonders seine antiquarischen Bände. Er hatte die Kartons beschriftet und fand schnell, wonach er suchte. Es war ein Karton mit der Aufschrift Studium. Er hatte ein ganz bestimmtes Fachbuch im Auge, in das er aber sicherlich zwanzig Jahre nicht mehr hineingesehen hatte. Er musste den gesamten Kartoninhalt auspacken, um an das Buch zu gelangen. Er ließ in dem Raum alles so liegen und ging mit dem Buch in sein Wohnzimmer. Die ersten fünfzehn Minuten brauchte er, um sich zu orientieren. Dann ging er in die Küche und suchte nach einem Block, um etwas aufzuschreiben. Am Wohnzimmertisch begann er sich Notizen zu machen. Es war komplizierter als er gedacht hatte. Das Fachbuch war schon alt, vielleicht gab es neue Methoden.
    Einen Luxus hatte sich Edmund Linz doch von dem Geld in seinem Badezimmer gegönnt. Er hatte sich vor ein paar Tagen einen nagelneuen Laptop gekauft. Über seinen Telefonanschluss wählte er sich damit ins Internet ein. Als Suchmaschine verwendete er gerne »BackRub«, ein noch recht neues,

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