1981 - Richard
natürlich kann es auch älter sein. Das Papier hat einen hohen Holzanteil und ist recht dick, typisches Zeichenpapier.«
»Aber nicht viel älter als die dreißiger oder vierziger Jahre?«, fragte Edmund Linz.
Sébastian Lumar überlegte. »Ich weiß nicht, es ist schwer zu sagen.«
Dann schwiegen sie noch einige Sekunden. Edmund Linz hatte keine weiteren Fragen. Was er gesehen hatte, reichte ihm. Er hatte in der letzten halben Stunde die Rolle des Betrogenen fast ganz abgelegt, jetzt besann er sich wieder darauf.
»Als Wiedergutmachung müssen sie mir die Zeichnung überlassen«, sagte er scharf.
»Als Wiedergutmachung?«, wiederholte Sébastian Lumar.
»Ja, als Wiedergutmachung ihres Betruges an mich. Ich möchte dieses Bild und ich möchte mein Geld zurück, natürlich samt der Zinsen.«
»Selbstverständlich sollen sie ihr Geld bekommen, aber warum die Zeichnung, wir würden sie gerne behalten«, sagte Konrad Schumann fast schon bittend.
»Ich will die Zeichnung, damit sie sie nicht wieder zu einem Experiment missbrauchen können«, sagte Edmund Linz streng.
Er wusste, dass dieses Argument unsinnig war, aber er hoffte dass die beiden Männer eingeschüchtert waren und seiner Forderung nachkamen.
»Was denken sie denn eigentlich, was sie getan haben«, fuhr er fort. »Sie erklären mir hier munter, wie sie ihr Fälscherhandwerk ausüben, zeigen mir sogar ihre Geräte und wie sie mein Bild damit geschaffen haben, mein Ölgemälde, von dem ich fest überzeugt war, dass es ein echter Gauguin ist. Sie können sich doch wohl meine Enttäuschung vorstellen. Ich bin Sammler, mir geht es eigentlich nicht ums Geld, aber ich will es natürlich wiederhaben. Können sie es bis Ende der Woche beschaffen?«
»Bis Ende der Woche«, wiederholte Konrad Schumann leise. »Sicher, das wird gehen.«
»Und ich möchte nicht, dass irgendjemand davon erfährt«, sagte Edmund Linz. Sein Ton wurde wieder schärfer. »Ich möchte mich nicht auch noch blamieren, dass ich auf sie hereingefallen bin.« Er stutzte. »Oder haben sie ihren Erfolg schon im Freundeskreis zum Besten gegeben?«
»Nein, nein, natürlich nicht«, antwortete Konrad Schumann schnell. »Ich sagte Ihnen doch, es gehörte zum Experiment, dass niemand außer uns davon erfahren hat.«
»Gut!« Edmund Linz sah zu Konrad Schumann und dann zu Sébastian Lumar.
»Sollen wir Ihnen das Geld bringen?«, fragte Konrad Schumann.
»Das wäre gut«, warf Sébastian Lumar sofort ein, noch bevor Edmund Linz antworten konnte. »Ich würde mir gerne noch einmal das Ölgemälde ansehen, nach all den Jahren, wie es sich verändert hat.«
»Sie spinnen doch wohl, das kommt natürlich nicht in Frage.« Edmund Linz steigerte sich in seine Wut, obwohl es nur gespielt war. »Ich hole das Geld bei Ihnen ab, am Freitag um zehn. Vergessen sie das Ölgemälde.« Er schwieg einige Sekunden und ließ seine Worte auf die beiden Männer wirken. »Ich möchte übrigens jetzt gehen«, fügte er dann noch hinzu.
*
Am Freitag besuchte Edmund Linz sein Ölgemälde. Es befand sich noch beim Kunst- und Auktionshaus Blammer. Es war bereits versichert, wurde aber bis zur Pressekonferenz, bis zum Beginn der Ausstellung, noch dort aufbewahrt. Edmund Linz hatte einen Tag zuvor mit Simon Halter einen Termin vereinbart. Es war das erste Mal, dass er sich das Bild alleine ansah, seit er es in Simon Halters Obhut gegeben hatte.
Das Haus Blammer war vielseitig. Die Objekte der sogenannten bildenden Künste waren nicht allein das Geschäft, konnten es nicht sein, um für so ein Unternehmen auch langfristig den wirtschaftlichen Erfolg zu garantieren. Es gab auch andere Dinge, die aufgekauft oder im Namen ihrer Besitzer bei Auktionen angeboten wurden. Es waren Antiquitäten, Möbel aus der Biedermeier- und Gründerzeit, Kommoden, Schränke, Sekretäre, Spiegel und Sitzmöbel. Es handelte sich um Stücke, die nicht in jedem Antiquariat zu finden waren. Die Sparte antike Möbel war sehr umsatzstark und mittlerweile als Geschäftsfeld nicht mehr wegzudenken. Es gehörten auch antike und exklusive Uhren dazu, die sehr hochpreisig angeboten wurden.
Simons eigentliche Leidenschaft galt aber den wirklichen Kunstwerken, den Drucken, Aquarellen, Zeichnungen und Gemälden. Es fanden regelmäßig Versteigerungen statt, aber es wurden eher unbekannte Künstler angeboten, dennoch keine Massenware, mehr etwas für Kenner. Namen wie Wilhelm Morgner , Theodor Rosenhauer oder Emil Adam tauchten in den Auktionskatalogen
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