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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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nicht gesehen. Da hing es.
    Sébastian Lumar kam dazu. »Sie sollten einmal das Original sehen«, sagte er.
    Edmund Linz drehte sich zu ihm um. »Das Original?«, fragte er überrascht.
    »Sébastian«, sagte Konrad Schumann kopfschüttelnd, »Herr Linz besitzt das Original doch, das Ölgemälde. Er kennt es, und jetzt weiß er, dass es das Motiv zweimal gibt, als Zeichnung und in Öl.«
    Konrad Schumann deutet auf das Bild an der Wand und nahm es ab. Sébastian Lumar wollte noch etwas sagen, doch sein Freund Konrad sah ihn kurz, mit einem festen Blick an und er stockte. Edmund Linz hatte davon nichts mitbekommen. Sie setzten sich wieder und betrachteten die Zeichnung.
    »Sie haben ja nicht viel eigene Kreativität in das Ölgemälde gesteckt. Es ist ja beinahe eine exakte Kopie dieser Kreidezeichnung hier, außer das es eben nicht in Kreide, sondern in Öl und noch farbiger ausgeführt ist. Sie haben es aber etwas vergrößert, mein Ölgemälde ist größer. Das kleine Mädchen mit dem Sonnenhut hat den gleichen Gesichtsausdruck und trägt auch die gleichen Kleider. Der Strand, das Fischerboot, selbst die Anordnung der Palmen im Hintergrund sind identisch. Und die Signatur, derselbe Namenszug, derselbe Titel, auch die Jahresangabe ist identisch.« Edmund Linz sah Sébastian Lumar an. »Und die Zeichnung stammt nicht von Gauguin?«
    »Nein«, er zögerte, »Mein Freund Konrad hat doch erklärt, dass die Zeichnung eine Gauguin-Imitation ist, vermutlich aus den vierziger Jahren, eben eine Imitation.«
    »Und woher haben sie diese Imitation?«, fragte Edmund Linz ungläubig.
    »Aus Brüssel« , antwortete Sébastian Lumar nur kurz.
    »Nein, woher genau, wer hat sie Ihnen gegeben?«, bohrte Edmund Linz nach.
    »Wir haben die Zeichnung in Brüssel gefunden«, sagte Konrad Schumann. »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass wir die Farben und Leinwände in speziellen Geschäften besorgen. In Brüssel haben wir auch einen Laden gefunden, der sehr gut ausgestattet ist, zumindest war es vor ein paar Jahren noch so.«
    Edmund Linz sah ihn schweigend an. Er dachte immer noch über das nach, was ihm vor ein paar Minuten aufgefallen war.
      »Es ist herrlich dort. Die vielen alten Sachen und ich liebe den Geruch. Ich glaube es war der Laden in der Lombardstraat, nicht wahr Sébastian.« Er wartete nicht auf eine Bestätigung seines Freundes, sondern erzählte weiter. »Dort gibt es einen extra Raum, in einem Teil des Ladens, ganz hinten. Ich weiß noch, dass sich Sébastian wie immer nach Farben erkundigt hat. Ich finde es dagegen spannend, die alten Leinwände durchzusehen. Ganz oft sind sie bemalt, nicht immer fertige Bilder, natürlich, eher Farbreste von Übungen. Es gibt aber auch Bilder, die wohl zu Ende gemalt sind. Woher die Sachen stammen, kann man nur ahnen, aus Wohnungsauflösungen zum Beispiel oder einfach aus dem Müll.«
    Edmund Linz hörte den letzten Satz schon nicht mehr. Er starrte auf die Zeichnung. Und dann viel es ihm ein. Er war endlich darauf gekommen. Er musste an das Treffen vor gut einem Monat denken, an den Bericht, den Georg Staffa damals abgegeben hatte. Die Recherche nach dem Herkunftsnachweis für den Gauguin hatte zu diesem Artikel aus der neuseeländischen Sonntagszeitung geführt. Victor Jasoline hatte von dem Bild geschrieben, dem Bild, das Gauguin von seiner Tochter gemalt hatte, aber er berichtete nicht von einem Ölgemälde, nein, es war eindeutig von einer Skizze die Rede. Sie hatten noch darüber diskutiert, jetzt bekam alles einen Sinn, natürlich. Plötzlich war es Edmund Linz klar, von wegen Gauguin -Imitation. Die Zeichnung war echt, sie stammte von Paul Gauguin , er hatte Julie Jasoline gemalt, dafür gab es Belege, Beweise, die diese beiden alten Männer nicht kannten, aber es hatte nie ein Ölgemälde von dem Mädchen mit dem Sonnenhut gegeben, es hatte immer nur eine Zeichnung existiert, die Konrad Schumann und sein Freund Sébastian Lumar durch Zufall entdeckt hatten. Erst durch die Recherchen, erst mit dem Auftauchen aller Beweise, dem Zeitungsartikel, den alten Fotografien von Julie Jasoline und ihrer Lebensgeschichte, erst mit all diesen Fakten, war klar, dass die Zeichnung ein echter Gauguin sein musste. Konrad Schumann und Sébastian Lumar hatten die ganze Zeit einen echten Gauguin besessen und es nicht gewusst.
    »Was glauben sie, wie alt die Zeichnung ist?«, fragte er schließlich.
    Sébastian Lumar zuckte mit den Achseln. »Die vierziger Jahre, dass könnte schon hinkommen,

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