1981 - Richard
dabei. Die gesamte Recherche sollte bis auf weiteres sehr diskret ablaufen. Sein erstes Interesse richtete sich nach Ausstelllungen, in denen Paul Gauguins Werke in den letzten hundert Jahren präsentiert wurden. Der Instruktor brauchte eine halbe Stunde, bis er die ersten Bände vorbei brachte. Heinz Kühler hatte sich inzwischen eine Ecke des Lesesaales ausgesucht und dort lediglich sein Jackett über den Stuhl gehängt. Andere Besitztümer durfte er nicht in das Archiv mit hinein nehmen, er musste sie vorne im Eingangsbereich, in den dafür vorgesehenen Schließfächern verstauen. Im Eingangsbereich gab es auch eine Kaffeemaschine und einen Sandwichautomaten. Das Getränk und die Speisen durften allerdings auch nicht mit an den Arbeitsplatz genommen werden und mussten vor Ort im Stehen gegessen und getrunken werden.
Der Instruktor hatte ihn für die nächsten Stunden versorgt. Es gab allein sieben Kataloge aus dem Folkwang Museum Essen , mindestens ebenso viele aus dem Musee d’Orsay . Später brachte ihm der Instruktor noch Kataloge aus dem Detroit Institute of Arts , vom Fine Arts Museums of San Francisco , aus der Neuen Pinakothek , aus der Staatsgalerie Stuttgart und von weiteren Museen und Galerien. Es war erstaunlich welche Häuser alles Ölgemälde, Zeichnungen und sogar Skulpturen von Gauguin besaßen. Oft waren es nur wenige Werke, die für Ausstellungen mit Leihgaben ergänzt wurden. Die Eremitage in Sankt Petersburg besaß eine umfangreiche Sammlung gerade jener Bilder Gauguins, die auf Tahiti und den Marquesas entstanden waren. Dann fanden sich noch Südseebilder in New York, im Guggenheim Museum und im Metropolitan Museum of Art und auch hier in London, in der National Gallery . Mit der Zeit, von Ausstellung zu Ausstellung und über die Jahre und Jahrzehnte wiederholten sich die gezeigten Werke. Es dauerte nicht lange und Heinz Kühler hatte einen recht guten Überblick. Es gab Ausstellungen nur über den Maler Paul Gauguin, sein Schaffen vor 1892 und danach, aus der Zeit in der er auf Tahiti und den Marquesas lebte. Dann gab es Themen, die sich nur mit der Kunstrichtung beschäftigten, die Gauguin vertreten und auch geprägt hatte. Bei Ausstellungen zum Synthetismus waren neben Paul Gauguin auch Maler wie Émile Bernard, Louis Anquetin und Paul Sérusier vertreten, die durch die sogenannte Schule von Aven bekannt geworden waren. Eine Ausstellung zum Symbolismus kam ganz ohne Gauguins Bilder aus, lediglich einige seiner schriftlichen Ausführungen und Briefe zu diesem Thema begleiteten die Werke von Nesterow, Bonnard, Klinger, Moreau und Munch. Bei mehreren Ausstellungen zum Expressionismus wurde Gauguin gar als der große Wegbereiter gefeiert. Die Liste der Künstler, die er inspiriert hatte und die mit ihren Bilder gezeigt wurden, war beinahe endlos. Alle Ausstellungskataloge waren in einem hervorragenden Zustand. Die Abbildungen der Ölgemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Lithografien waren von hoher Qualität. Heinz Kühler konnte sich an den Fotografien nicht satt sehen. Er musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, was er hier eigentlich suchte, um nicht abzuschweifen. Den ganzen Vormittag, fast bis nach 13:00 Uhr verbrachte er an seinem Arbeitsplatz, ohne eine Pause. Schließlich zwang er sich, doch zu einem Milchkaffee, den er sich aus dem Automaten im Eingangsbereich des Archivs holte. Das Personal am Eingangstresen hatte gewechselt. An Stelle des militärisch gekleideten Herrn war jetzt eine junge Dame erschienen, die ihm freundlich zu lächelte. Er zog sich auch noch ein Sandwich aus dem anderen Automaten und aß es im Stehen, während er den Tresen beobachtete. Zur Mittagszeit verließen viele Besucher das Archiv. Ein Mann, der in der anderen Ecke des Lesesaal gesessen hatte, bediente sich ebenfalls am Kaffeeautomaten. Sie sprachen aber nicht miteinander. Der Mann sog sein Getränk schnell in sich ein und ging wieder zurück an die Arbeit. Nach fünfzehn Minuten suchte auch Heinz Kühler wieder seinen Schreibtisch im Lesesaal des Archivs auf und setzte seine Recherche fort.
Die zahlreichen Abbildungen in den Katalogen hatten ihm inzwischen ein Gespür für den Malstil Gauguins vermittelt. Er hatte sich in seiner bisherigen Laufbahn eigentlich noch nie richtig mit diesem Künstler beschäftigt. Er war sich auch sicher, noch nie zuvor auf einer Auktion gewesen zu sein, auf der ein Gauguin versteigert wurde. Die Impressionisten , Expressionisten oder andere zeitgenössische Maler
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