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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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sich ob es hier überhaupt ein Rathaus geben würde oder ob Redon für Allaire zuständig sei. Tatsächlich zeigte aber ein Schild mit der Aufschrift »Hotel de Ville« in Richtung einiger älterer Häuser. Er suchte sich einen Parkplatz direkt vor dem Gebäude, das sich als Rathaus bezeichnete. Er schaute auf die Uhr. Es war erst halb zwei. Natürlich würde das Rathaus zur Mittagszeit geschlossen sein. Er ging trotzdem das Portal hinauf und probierte es an der Tür. Sie war verschlossen. Als er wieder zu seinem Wagen ging, kam ein junger Mann aus einem der Seiteneingänge des Rathauses heraus.
    »Pardon, Monsieur«, sprach er Georg an, obwohl er es offensichtlich eilig hatte. »Das Rathaus ist am Mittwochnachmittag geschlossen, aber morgen früh ab acht haben wir wieder geöffnet.«
    »Ich suche nach standesamtlichen Informationen aus der Zeit um die Jahrhundertwende«, erklärte Georg sein Anliegen.
    »Aus der Zeit um die Jahrhundertwende«, wiederholte der junge Mann. »Oh, für solche Informationen sind sie hier in Allaire aber falsch, tut mir leid. Wir verwalten unsere standesamtlichen Urkunden erst seit 1950. Davor   wurde alles zentral von Redon aus gemacht und dort sind die Unterlagen auch heute noch archiviert.« Er überlegte. »Sie haben aber Glück, das Rathaus in Redon ist ganztags geöffnet und zwar heute noch bis 16:30 Uhr.«
    Georg bedankte sich für den Hinweis. Den Weg nach Redon kannte er. An der großen Kreuzung war Redon ebenfalls ausgeschildert. Er musste links abbiegen und kam wieder an der Bank vorbei, auf der die beiden Jugendlichen gesessen hatten. Sie waren aber fort und auch die Frau, die ihm den Weg zum Sanatorium beschrieben hatte, war bereits mit dem Fegen ihres Hauseinganges fertig. Nach Redon waren es nur wenige Kilometer. Der Ort war schon deutlich größer als Allaire. Das Rathaus war ein alter Backsteinbau. Die Stadtmitte war durch zahlreiche Geschäfte, Cafés und Restaurants belebt, die sich direkt auf dem Rathausplatz befanden oder sich weiter in die Nebenstraßen erstreckten. Er parkte seinen Wagen am Rande der Fußgängerzone und betrat das Rathaus durch einen Seiteneingang. Für die Besucherabfertigung gab es drei Schalter, von denen aber nur zwei besetzt waren. Er sah sich um und hatte Glück. Ein Mann war gerade mit seinem Anliegen fertig. Eine junge Frau bediente den Schalter. Sie war nicht älter als zwanzig, hatte langes blondes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden hatte. Georg sah auf das Namensschild, das von innen vor der Glasscheibe des Schalters aufgestellt war.
    »Bonjour Mademoiselle DeFoube«, begrüßte er sie. »Mein Name ist Georg Staffa, ich suche nach standesamtlichen Informationen, insbesondere nach alten Geburtsurkunden.«
    Die junge Angestellte lächelte ihn an, sie fand es charmant, dass er sie mit ihrem Namen angesprochen hatte. In der Regel achteten ihre Kunden nicht auf das Namensschild.
    »Sie suchen nach alten Geburtsurkunden?«, fragte sie.
    Georg nickte.
    »Wie meinen sie das, Monsieur Staffa, geht es um ihre eigene Geburtsurkunde, sind sie hier geboren?«, fragte sie etwas ungläubig.
    Georg überlegte nicht lange. Seine Geschichte musste auch jetzt wieder herhalten, genau wie letzte Woche in der Kolonialausstellung und bei Madame LaRosa.
    »Nein, entschuldigen sie, Mademoiselle DeFoube, es geht um etwas ganz anderes«, begann er. »Ich bin Rechtsanwalt, aus Deutschland. Ich vertrete eine Frau, die nach ihren französischen Verwandten sucht.«
    Er holte die Kopie der alten Postkarte hervor. Das Papier war mittlerweile etwas zerknittert. Er faltete es auseinander und schob es halb durch den Sprechschlitz des Schalters.
    »Es ist etwas kompliziert. Meine Klientin ist Französin, sie lebt aber heute in München, ist dort verheiratet. Sie sucht nach einem Urgroßonkel, der vermutlich Victor Jasoline hieß und in den Südseekolonien gelebt hat. Bei meinen bisherigen Recherchen bin ich bereits in Paris gewesen und habe eine Frau namens Thérèse Pallet ausfindig gemacht, die eine geborene Jasoline ist.« Er tippte auf die Kopie der Postkarte. »Diese alte Postkarte habe ich im Nachlass von Madame Pallet gefunden. Leider hat Madame Pallet keine Angehörigen mehr, die ich noch befragen könnte. Es gibt nur diese Postkarte als Bezug zu möglichen Nachfahren, die wiederum mit meiner Klientin verwandt sein könnten.«
    Während Georg erzählte, fiel ihm auf, dass er die Geschichte von dem angeblichen Urgroßonkel immer besser und

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