1981 - Richard
Nummer auf die Rückseite der untersten Karte. Als Stichwort schrieb er noch Kirche Allaire. Dann sah er den Pfarrer verlegen an.
»Entschuldigen sie, ich habe sie noch gar nicht nach ihrem Namen gefragt?«
Der Pfarrer lächelte. »Mein Name ist Pater Edmond Noury, aber ich bitte dich, sage einfach nur Pater Edmond zu mir, ich bin es so gewohnt.«
Georg schrieb den Namen zu der Nummer, dann drehte er das Päckchen mit den Visitenkarten wieder um. Erst jetzt nahm er die oberste Karte und reichte sie dem Pfarrer, der sie sich gleich ausgiebig ansah.
»Oh, du bist Rechtsanwalt, mein Sohn«, sagte er interessiert.
Georg nickte. Jetzt hätte er seine Geschichte erzählen können, doch der Pfarrer sah sich die Visitenkarte nur an, stellte aber keine weiteren Fragen. Sie wandten sich wieder dem Grabstein zu.
»Darf ich eine Aufnahme machen?«, fragte Georg.
»Eine Fotografie von dem Stein?«, wiederholte der Pfarrer. »Wir sind nicht abergläubisch. Gott hat einem der seinen gelehrt, einen solchen Apparat zu bauen, damit er ihn auch benutze.« Er machte eine kurze Pause. »Ich bin dem Heiligen Vater in Rom verpflichtet, dennoch meine ich, dass Gott auch diesem Luther den Weg gezeigt hat und meine Kirche ihn nicht hätte verurteilen dürfen und natürlich auch all die anderen nicht.«
Georg sah weiter auf den Grabstein und ging bewusst nicht auf das Gesagte ein. Er hasste religiöse Auseinandersetzungen und Diskussionen, er behauptete immer, keine Meinung darüber zu haben. Er tastete sein Jackett ab, in dem sein Fotoapparat steckte. Er zog die Kamera an ihrer Handschlaufe heraus und legte an. Er ging etwas in die Knie und machte zwei Aufnahmen. Auf dem kleinen Bildschirm der Kamera überprüfte er die Helligkeit und Qualität. Er war zufrieden. Dann drehte er sich in Richtung Kirche und machte ebenfalls ein Foto, das er gleich wieder kontrollierte. Auf dem Rückweg würde er die Kirche noch einmal von der anderen Seite aufnehmen.
Georg wandte sich an den Pfarrer. »Ich glaube, ich habe ihre Zeit schon genug in Anspruch genommen. Ich danke Ihnen.«
»Mein Sohn«, sagte der Pfarrer mit ruhigen Worten. »Es gehört zu meinen Pflichten, aber ich freue mich auch immer wieder, wenn man sich der Verstorbenen erinnert. Ich werde wie versprochen noch einmal nachsehen, was in den Aufzeichnungen über unsere Tochter Yvette zu finden ist.«
*
Sie gingen gemeinsam bis zum Weg vor der alten Steinkirche, der direkt hinaus auf den kleinen Parkplatz führte. Georg bedankte sich noch einmal und gab dem Pfarrer die Hand. Dann verließ er das Gelände, ging zu seinem Wagen und fuhr direkt nach Redon. Er stellte den Wagen diesmal in einer der Seitenstraßen ab. Er war heute gut zwei Stunden früher hier, als noch bei seinem ersten Besuch vor knapp zwei Wochen. Es war später Vormittag und in der Rathausverwaltung war nur ein einziger Schalter besetzt, vor dem zwei Frauen warteten, während ein junger Mann von einer älteren Rathausangestellten bedient wurde. Georg kannte die Frau nicht. Er stellte sich in die kleine Schlange, um am Schalter nach Liane DeFoube zu fragen, sobald er an der Reihe war. Er sah sich um. Die Tür auf der fensterlosen Seite des Raumes hatte er zunächst gar nicht erkannt, weil sie in die Täfelung eingebettet war. Plötzlich erschien das Gesicht von Liane in der Tür. Sie winkte ihm lächelnd zu und er ging zu ihr hinüber. Als er vor ihr stand, öffnete sie die Tür soweit, dass er eintreten konnte. Der Raum war von innen ebenfalls holzvertäfelt und diente wohl als Besprechungszimmer. In der Mitte stand ein großer Tisch mit dreißig oder mehr lederbezogenen Stühlen davor. Liane freute sich, ihn zu sehen.
»Salut Monsieur Staffa«, sagte sie und verschloss hinter ihm die Tür, ohne ihren Blick von ihm zu nehmen.
»Salut Liane DeFoube«, begrüßte er sie lächelnd. »Sie sehen, ich bin wie versprochen noch einmal persönlich vorbeigekommen.«
»Ich freue mich«, sagte sie. »Das ganze ist ja fast schon wie ein Detektivspiel. Waren sie heute Morgen schon in Allaire?«
Er nickte. Sie ging ans Ende des großen Besprechungstisches und zog einen Stuhl vor. Georg folgte ihr und setzte sich. Sie nahm seitlich von ihm Platz, faltete die Hände über der Tischplatte und sah ihn erwartungsvoll an. Er holte den Fotoapparat aus seiner Jackentasche, schaltete ihn ein und zeigte ihr die Aufnahmen.
»Die Kirche kennen sie doch sicherlich?«, fragte er. »Und hier ist der Grabstein.«
»Wie haben sie das Grab denn
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