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1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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auf sämtliche der französischen Départements ausdehnen könnte. Das einzige Problem war nur, dass alle elektronischen Aufzeichnungen erst ab dem Jahr 1950 begannen. Für den Fall, dass Julie Jasoline bereits vor 1950 verstorben war, würde ihr Leben nicht in Bytes und Bits erfasst worden sein, zumindest nicht, nach dem, was Liane ihm über die Datenerfassung in den französischen Behörden erzählt hatte. Es wäre sicherlich aussichtslos gewesen, in allen Archiven des Landes nach Urkunden zu suchen. Es gab in Frankreich immerhin fast vierzigtausend Kommunen wie die in Redon. Es war daher unmöglich alle Rathauskeller nach Urkunden und Dokumenten zu durchsuchen, so wie es Liane in ihrem Zuständigkeitsbereich getan hatte. Georg schickte die Mail ab und lehnte sich wieder in seinen Schreibtischstuhl zurück. Er sah die staubige Luft vor sich, die durch das Sonnenlicht angestrahlt wurde, dass durch die Fenster in sein Büro flutete.
    *
    Am kommenden Mittwoch hatte Georg den gleichen Sechs-Uhr-Flug nach Nantes, wie schon zwei Wochen zuvor. Es war die gleiche Prozedur. Er fuhr zuerst ins Hotel und dann sofort weiter mit dem Mietwagen Richtung Vannes, erst auf der Autobahn und dann über die Abfahrt von der Tankstelle aus nach Allaire. In Allaire brauchte er nur in den Ortskern zu fahren. Die Kirche hatte er schon bei seinem ersten Besuch gesehen. Er vermutete den Friedhof ganz in der Nähe und er lag richtig. Direkt neben der Kirche, hinter einer Mauer, über die er von der Straße aus nicht hinüber sehen konnte, befanden sich die Felder mit Kreuzen und Steinen. Es waren hauptsächlich Grabsteine. Die wenigen Metallkreuze standen wie Gerippe über den Gräbern. Der Friedhof war in der Übersicht nicht groß. Er konnte nicht schätzen, wie viele Gräber es waren, die er möglicherweise aller ansehen musste. Er ging zunächst durch die Reihen und las die Aufschriften auf den Steinen. Ihm fiel auf, dass einige der Kreuze keine Namen trugen, was die Suche noch erschwerte. Nach einiger Zeit blickte er auf, es waren doch zu viele Gräber. Er schaute zur Kirche. Das Hauptportal stand offen. Er ging hinüber und betrat das Kircheninnere. Er vermutete den Pfarrer oder irgendeinen anderen Gemeinedemitarbeiter in der Sakristei, die sich im hinteren Teil der Kirche befand. Er durchschritt langsam und leise das Kirchenschiff. In den Bänken saßen drei ältere Frauen, das Gesicht Richtung Altar gewandt. Die Tür zur Sakristei stand offen. Es war aber nicht der Pfarrer, der einige liturgische Geräte sortierte, sondern ein kleiner Junge, vermutlich einer der Messdiener. Georg klopfte an der Tür, um den Jungen nicht zu erschrecken.
    »Bonjour, vielleicht kannst du mir helfen?«, fragte er.
    Der Junge drehte sich um und nickte. »Bonjour, Monsieur.«
    »Wo finde ich jemanden von der Friedhofsverwaltung oder besser noch den Pfarrer?«, fragte Georg.
    Er senkte den Kopf, um nicht an den Türdurchgang zu stoßen und betrat die Sakristei. Der Junge wollte gerade antworten, wurde aber abgelenkt. Georg hatte die Schritte ebenfalls gehört und drehte sich um. Vor ihm stand ein älterer Mann in dem unverkennbaren Gewand des Geistlichen.
    »Sie suchen mich, mein Sohn?«, fragte der Pfarrer mit sanftem Ton.
    »Bonjour, Vater«, setzte Georg die Art der Anrede fort. »Richtig, ich hoffe sie können mir helfen, ich habe ein Anliegen.«
    Der Pfarrer sah ihn milde an, als habe er einen Sünder vor sich, der jetzt, nach Jahren, bereit war zu beichten. Er machte sogar eine Handbewegung, als wolle er Georg den Weg zum Beichtstuhl weisen. Die Geste galt jedoch dem Messdiener, der sofort verstand und die Sakristei mit gebeugtem Haupt verließ. Der Pfarrer schloss dann auch noch die Tür hinter sich und trat mit gefalteten Händen vor Georg.
    »So, jetzt kannst du sprechen, mein Sohn«, sagte der Pfarrer mit weiterhin sanfter, fast feierlicher Stimme.
      Georg lächelte ihn an. »Ich weiß nicht, was sie denken«, erklärte er, »aber ich suche lediglich ein Grab auf ihrem Friedhof, es ist das Grab einer Frau. Sie ist in den dreißiger Jahren hier in Allaire beerdigt worden.«
    Der Pfarrer schien nicht überrascht, er überlegte. »In den dreißiger Jahren, hier in Allaire?«
    Georg nickte. »Ich habe den Namen der Frau und die Angaben Allaire und Saint-Eutrope, aber ich weiß nicht, ob es außer dem Friedhof neben der Kirche noch andere Gräberfelder gibt, darum habe ich nicht selbst weiter gesucht.«
    »Nein, nein«, antwortete der Pfarrer,

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